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Tod von Sweet Mister

Tod von Sweet Mister

Titel: Tod von Sweet Mister
Autoren: D Woodrell
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Farbe roch die Luft nach Krankenhaus. Der Geruch breitete sich in schnellen Wogen aus. Ich sprühte gerade die Kotflügel ein, hinten an der Ladeklappe, als ein Schatten neben mich fiel. Ich sah mich um, und da stand Red ohne Hemd und mit wütendem Gesicht. Seine Brust war voller roter Locken, die bei solch warmem Wetter von Schweiß durchtränkt waren wie Schwämme. Er wirkte ungeheuer stark.
    »Sehr raffiniert, Fettsack.«
    »Was?«
    »Wenn ich Fettsack sage, dann meine ich dich, kapiert? Ist dir noch nicht aufgefallen, dass du scheißfett bist?«
    »Doch, doch. Aber du sagtest was von raffiniert.«
    Er zeigte auf die Ladefläche. Von dort, wohin ich gezielt hatte, waren Farbtröpfchen fortgeflogen und auf der Ladefläche gelandet, genug, um Farbstriemen zu hinterlassen.
    »Glaubst du, damit könntest du jemanden täuschen? Mit so einer beschissenen Arbeit? Glaubst du vielleicht, so eine beschissene Lackiererei wird mich vor dem Knast bewahren, wenn wir in eine Straßensperre geraten oder auch nur angehalten werden? Dann werde ich die hier einsetzen müssen.« Er beugte sich vor und klopfte auf seinen rechten Stiefel, in dem er eine ziemlich üble Knarre versteckte. »Und das wäre unnötig und allein deine Schuld, Fettsack.«
    »Red, Schätzchen«, rief Glenda, »komm mal her.«
    Dass sie Red Schätzchen nannte, tat uns beiden weh, aber sie hatte bemerkt, wie er sich drohend über mir aufgebaut hatte. Sie wusste, wohin das führte. Und ich wusste, dass ich auf seine Linke achten musste, die mir in den Bauch fahren wollte. Ich wusste, dass ich mich hinfallen lassen und schwer getroffen tun musste, wenn die Faust zugeschlagen hatte.
    »Das hättest du wohl gern, dass die mich wieder einsperren, was, Junge? Du würdest gern ein paar scheiß Fehler machen, nur damit ich für fünf Jahre einfahre oder noch länger. Warum nicht gleich lebenslänglich?«
    Ich gab darauf nie eine Antwort, aber was mich an dem Tag wirklich traf, war, wie Glenda aufstand, herüberkam, sich zwischen uns stellte und die volle Mädchennummer abzog, mit wogender Brust und klappernden Wimpern und süßen Grübchen, die ihr Lächeln einrahmten wie Buchstützen. Sie lehnte sich an diesen Kerl und schnurrte. Sie roch an seiner feuchten, roten Brustbehaarung und zirpte mädchenhaft: »Mann, o Mann.« Dazu fuhr sie mit ihren schönen Fingern über seinen Arm.
    Schließlich richtete Red seine Aufmerksamkeit auf Glenda. Er schnippte mit den Fingern nach ihren Brustwarzen. Sie mühte sich ein Lächeln ab, er legte eine Hand unter ihre rechte Brust und wiegte sie auf seiner Handfläche wie ein Neugeborenes, das noch keinen Rülpser getan hatte. Als sie kein Gesicht machte, das ihn wie sonst abwies, streckte er die Hand aus und zog ihren gelben Rock hoch, doch die Art, wie er sie anfasste, ließ ihren einladenden Gesichtsausdruck verblassen, und sie sagte: »Vorsichtig. Sei vorsichtig.«
    »Sonst was?«
    Ich stand nur da, mit der Sprühdose in der Hand und wahrscheinlich offenem Mund.
    Dann fing die Küsserei an, von der ich wusste, dass sie uns beiden wehtat.
    Glenda sah mich nicht an.
    Sie führte ihn weg ins Unterholz. Ich versuchte zu sprühen. Sie waren noch einmal kurz zu sehen, und ich hörte, wie ihm die Stiefel ausgezogen wurden. Glenda stöhnte auf, als sie endlich von den Füßen rutschten. Ich hörte ein Kichern, das sollte wohl lüstern sein, dann eine Gürtelschnalle. Die Farbe lief herunter, ich sprühte zu viel in die Luft, ins Gras, auf meine eigene linke Hand. Ich konnte Haut auf Haut klatschen hören und dann dieses Stöhnen. Lieber hätte ich mich verprügeln lassen. Er machte sich lärmend und herrisch über sie her, und sie raspelte ihm keuchend beschissenes Süßholz ins Ohr.
    Ich drehte mich wieder zum Pick-up und drückte auf den Sprühknopf.
    Die Schreie fuhren mir laut ins Herz, aber ich wusste es besser, ich wusste es besser, ich ließ meinen Kopf sinken, wünschte mir, ich wäre taub, und sprühte weiter blaue Farbe auf das Auto.
    Die Schreie, die ich damals und in all den anderen ähnlichen Momenten wie in Flaschen verkorkte, warteten und warteten nur darauf, wieder herausgelassen zu werden, und der Zeitpunkt sollte kommen.
    Ich wünschte, ich könnte sagen, dass nichts von alledem passiert ist.

NEBEN DEN VERSAMMELTEN TOTEN unserer Gemeinde zu wohnen machte Glenda und mir keine Angst, wir hatten ihnen ja zu Lebzeiten nichts getan. So war jedenfalls unsere Auffassung. Soweit ich zurückdenken konnte, hatte Glenda sie
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