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Tod von Sweet Mister

Tod von Sweet Mister

Titel: Tod von Sweet Mister
Autoren: D Woodrell
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doch sie schafften es nie.
    Ich war in dem Jahr dreizehn geworden. Red war gerade mal so groß wie ich, aber er war ein Mann. Er hatte die Muskeln eines Mannes und war voll wilder Lust und Boshaftigkeit. Bei seinen Muskeln hätte man ihn für einen Wrestler oder Wikinger oder so was halten können. Er hatte auch die Haarfarbe, die man dabei erwarten würde, aber das Rot war so komisch, dass er aussah wie aus einem Comic-Heft oder dem Zirkus. Man konnte die Kopfhaut sehen, und die paar Haare, die er noch hatte, waren zu einer Tolle aufgegelt, zu so einer schmalen Tolle wie bei den Schmierlocken von vor zehn Jahren, denen er sich so nahe fühlte.
    Er begoss den Busch mit vier oder fünf Tassen Kaffee, die er beim Frühstück getrunken hatte, und sang weiter. Irgendetwas von »Lawdy Lawdy Clawdy« oder so. Das hatte er früher schon mal in Hörweite gesungen, aber ich hatte nie aufgepasst.
    Schnell hatte ich die Fahrerseite und die Windschutzscheibe mit Zeitungen bedeckt und sauber abgeklebt. Weil es davon in der Kabine dunkel wurde, stieg Glenda aus, ihr gelber Rock rutschte dabei die Beine hoch. Sie hatte ihre silberne Thermoskanne dabei, setzte sich auf ein sattes grünes Fleckchen in der Morgensonne, breitete den Rock damenhaft aus und schaute mir zu, wie ich das letzte Seitenfenster und das Rückfenster zuklebte und dann die Farbe nahm. Sprühfarbe, blau, davon gab es nur vier kleine Dosen.
    Ich fing mit dem Sprühen auf der Motorhaube an und versuchte, nur ganz sanft mit dem Finger auf den Sprühknopf zu drücken, doch es wehte ein leichter Wind, ein Babyhauch, und die Farbe verwehte ein wenig. In dem Augenblick fiel mir auf, dass ich die Scheinwerfer nicht abgeklebt und bereits blau besprenkelt hatte. Ich wischte mit dem Hemdzipfel über die Flecken und versuchte, mich dabei nicht ertappen zu lassen, aber Red sah es.
    »Fettsack! Ich schlag dir gleich Feuer aus’m Hintern, kapiert?«
    »Ich wisch ja schon …«
    »Du Arschloch. Kannst du denn nicht mal eine beschissen einfache Sache richtig machen?«
    »Red? Red, mein Gott, red nicht so mit unserem Sohn – du verdirbst ihn noch.«
    »Unser Sohn, so’n Scheiß.«
    Glenda wich ein wenig zurück und behielt seine Fäuste im Blick. Die konnten ziemlich schnell sein.
    Red verpasste mir einen Schlag gegen den Hinterkopf.
    Dass Red mein Vater war, entsprach der offiziellen Darstellung, die wir alle vertraten, aber ich schätze, keiner von uns glaubte daran oder wollte auch nur einen Beweis dafür. Ich war sein einziges Kind, wahrscheinlich war ich nicht von ihm, und diese Wahrscheinlichkeit half natürlich nicht, seine Einstellung mir gegenüber zu verbessern. Seine Einstellung zu allem, mit Ausnahme des guten alten Rock’n’Roll, kochte ohnehin schon fast über oder brannte bereits lichterloh. Er hegte eine Jugendliebe für diese Musik und eine irgendwie zerrüttete, aber noch immer lebendige Liebe für Glenda, aber das war es auch schon, soweit ich weiß.
    Ich klebte die Scheinwerfer ab. Es war sowieso nicht genug Farbe in den Dosen. Die Pick-ups waren damals riesig, und vier kleine Dosen konnten ja wohl kaum reichen, um einem ausgewachsenen Pick-up eine neue Farbe zu verpassen.
    Glenda hob den Kopf und holte tief Luft, sodass ihre Brust sich hob und hübsch bebte, dann sagte sie: »Solche Tage wie heute gibt es nicht allzu oft, du solltest ihn also richtig auskosten, Süßer.«
    Es lag tatsächlich eine ganze Reihe von guten Düften in der Luft. An den Hängen und in den Gräben standen überall frische schöne Pflanzen. An solchen Frühlingstagen hopsten und tschilpten die Tiere herum, als hätten sie gerade was genommen, und ließen es sich gut gehen.
    »Das ist ’ne Menge Tee so früh«, sagte ich. »Die Regel lautet doch, erst Mittagessen, dann Tee.«
    »Wir sind auf einer Reise, Shug. Auf Reisen gibt es keine Regeln.«
    Red spuckte aus und scharrte mit den Stiefeln im Staub.
    Ich sprühte, kauerte mich hin und sah, wie Glenda die silberne Thermoskanne nahm, den Becher füllte und daraus trank. Selbst in ihren albernen Momenten benahm sie sich stilvoll, noch in ihrer kleinsten Bewegung fand sich ein Hauch von Tapferkeit. Sie hatte viel wegzustecken, und sie wusste, wie sie es wegsteckte und ohne Schaden wieder aufstand, etwas, das ich nicht konnte. Ich bekam Dellen und Schrammen. So wieder aufzustehen wie sie, das gelang mir nicht, und das war nicht hilfreich.
    Die Farbe des Pick-ups war nun halbwegs eine andere, ein helles Blau mit weißen Stellen. Von der
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