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Tod in der Walpurgisnacht

Tod in der Walpurgisnacht

Titel: Tod in der Walpurgisnacht
Autoren: K Wahlberg
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gewesen wäre, wenn man sie nicht paniert hätte. Nun ruhte der Fisch zusammen mit den gekochten Kartoffeln und der Remouladensoße in ihrem Magen, entzog ihr alle Energie und machte sie schwindlig.
    Sie war schon eine Weile müde und aufgedreht zugleich. Die Nacht hatte viel zu wenig Schlaf geboten. Außerdem fehlte es ihr noch an Routinen, die ihre Arbeit geschmeidiger machten. Es war anstrengend, neu zu sein. Ihre Bemühungen, sich anzupassen und alles recht zu machen, verursachten ihr leicht Stress. Die Tage waren lang, aber überhaupt nicht langweilig.
    »Genießen Sie die Zeit. So dynamisch wie jetzt zu Anfang wird es nie wieder werden«, hatte Daniel Skotte, ihr Chef, schon am ersten Tag zu ihr gesagt. Er hatte dabei wie ein alter Mann geklungen, obwohl er höchstens fünfunddreißig war.
    Jetzt war der halbe Arbeitstag schon wieder vergangen. Den Vormittag hatte sie in der Sprechstunde verbracht, und das war wider alle Erwartungen gut gegangen. Ein Patient hatte zu ihr gesagt, sie sei wunderbar, und sie war innerlich ein paar Zentimeter gewachsen. Dass alles so gut lief, lag hauptsächlich daran, dass die Krankenschwester, die die Patienten brachte, freundlich und rücksichtsvoll war. Die Schwester achtete darauf, dass sie ihr nur so viele Patienten zumutete, wie sie als unerfahrene Ärztin bewältigen konnte. Und sie verschonte sie mit den schwierigeren Fällen. Hilda hätte bei Bedarf ältere Kollegen fragen oder im Internet auf den inländischen oder ausländischen Seiten für medizinisch ausgebildete Fachkräfte nachsehen können. Doch wenn die Patienten in der Sprechstunde ihretwegen warten mussten, dann bekam sie einen trockenen Mund, und im Kopf war alles nur noch eine zähe Karamellmasse.
    Nun lag der Nachmittag wie eine öde Wüste vor ihr. Sie sehnte sich danach, sich hinlegen zu können, sich zu entspannen und vielleicht ein Nickerchen zu machen, einen »Powernap«, aber daran war natürlich nicht zu denken. Außerdem gab es ohnehin keinen Ort, wo man sich hinlegen konnte.
    Es war erst Dienstag, und von der Arbeitswoche war noch viel übrig. Heute Abend würde sie das Handy ausschalten und früh zu Bett gehen, das hatte sie sich schon am Morgen geschworen. Und sie würde sich nicht vor die Nähmaschine an den Küchentisch setzen, über dem die Stahllampe wie eine einsame fliegende Untertasse von der Decke hing. Die Lampe hatte auf dem Flohmarkt nur einen Hunderter gekostet und machte ein recht ungemütliches Licht, gab aber eine gute Arbeitsbeleuchtung ab. Wie die Fliege zum Zucker zog es sie zu der Lampe und dem Küchentisch. Zufrieden dasitzen und nähen, als wäre das der wahre Sinn des Lebens. Geborgenheit.
    Zufrieden!
    Sie musste kichern. Das Wort hatte sie bei einer alten Frau gehört, einer Patientin, die sie sofort gemocht hatte. » Man muss versuchen zufrieden zu sein«, hatte die Frau gesagt.
    Jetzt kam es darauf an, im Fluss zu bleiben und die Wellen auszureiten, dann würde die Zufriedenheit schon von selbst kommen.
    So wie gestern. Da hatte sie vor der Nähmaschine gesessen, das Radio plauderte vor sich hin, die Stadt draußen schlief freundlich, und man hörte nur die Autokarawane, die von der Gotlandfähre heruntergefahren war und auf dem Weg durch die Stadt war. Die Lampe über dem Küchentisch leuchtete unermüdlich, der Rest der kleinen Wohnung hatte in friedlichem Dunkel gelegen.
    Plötzlich war sie woanders. Nicht unter Palmen auf einer Südseeinsel, sie war vielmehr in einen anderen inneren Zustand verschoben worden. Plötzlich machte sich ein wohliges Gefühl breit und verdrängte die alltäglichen Sorgen, während die Hände die zugeschnittenen Stoffstücke drehten und wendeten. Die Zeit bekam Flügel. Sie vergaß sich. Wer weiß, vielleicht war das eine Art Therapie. Statt Yoga.
    Und mit einem Mal war es viel zu spät gewesen, mehrere Stunden nach Mitternacht. Müde tappte sie ins Badezimmer, agierte einmal kurz mit der Zahnbürste und fiel ins Bett.
    Als der Handywecker anfing zu flüstern, waren ihre Glieder bleischwer. Viereinhalb Stunden Schlaf, das war gelinde gesagt die Hölle!
    Sie absolvierte ihr PJ, das Praktische Jahr in der medizinischen Ausbildung. Es schloss sich direkt an die fünfeinhalb Jahre Studium an und umfasste zusammengenommen einundzwanzig Monate in verschiedenen Kliniken. Ihr Einsatz in der Chirurgie war auf sechs Monate veranschlagt, von denen sie einen schon hinter sich hatte.
    Außerdem war dies ihr erster Einsatz. Sie war als Ärztin noch
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