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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux
Autoren: Paul Grote
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einbog, erinnerte er sich wieder daran.
    Frau Schnor kam auf ihn zu, die Erleichterung, jetzt nicht mehr die gesamte Verantwortung tragen zu müssen, war ihr ins Gesicht geschrieben. Sie half seit Jahren, kannte sich aus und hielt während Martins Reisen allein die Stellung. Er konnte beruhigt nach Italien oder Spanien fahren und sich sogar Zeit dabei lassen. Frau Schnor ertrug seine Launen, wenn er sich über schlechte Weine oder Preiserhöhungen ärgerte, sie wimmelte Vertreter ab und beschwichtigte übel gelaunte Kunden.
    «Jede Menge Bestellungen, Herr Bongers, alles notiert.» Mit diesen Worten reichte sie Martin eine Liste der Weine, die heute ausgeliefert werden mussten. «Sie müssen selbst fahren, Klüsters ist krank», fügte sie seufzend hinzu. «Grippe. Er markiert nicht, er hörte sich tatsächlich verschnupft an. Aber ich habe Hilfe für Sie.»
    Schon geht der Ärger wieder los, dachte Martin. Er hatte Klüsters extra für die schweren Arbeiten eingestellt, der Mann hatte Kräfte wie ein Pferd, schleppte 24 Flaschen mühelos die Kellertreppe rauf und zerbrach nicht eine. Doch seine Körperkraft und seine Sensibilität standen in direktem Verhältnis. Ein falsches Wort, und er war für Tage unauffindbar.
    Der Ersatz für Klüsters war ein junger Mann aus der Teppichhandlung von gegenüber. Gemeinsam luden sie die mitgebrachten Weine aus und packten die Bestellungen in der Reihenfolge ihrer Auslieferung. Martin ging ins Büro, um einen Termin mit der Werkstatt zu machen. Er konnte den Wagen unmöglich offen stehen lassen. Auf seinem Schreibtisch stapelte sich Post, Arbeit für ein langes Wochenende, falls Petra ihn nicht davon abhalten würde. Er griff zum Telefon, aber statt sie anzurufen, wählte er Gastons Nummer. Diesmal hinterließ er eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter.
    Kurz vor Geschäftsschluss kam er von der Tour zurück, der Laden war brechend voll. Noch ehe Martin den ersten Kunden bedienen konnte, nahm Frau Schnor ihn beiseite: «Ihre Freundin hat angerufen. Sie hat keine Zeit, sie muss mit einem Kunden, wie sie sagte, essen gehen. Neue Geschäfte und so.»
    Das gespannte Verhältnis zwischen Martin und Petra war Frau Schnor nicht entgangen, und sie sah ihn mitleidig an. «Sie möchten morgen bitte anrufen, am Wochenende hätte sie Zeit.»
    Martin atmete auf. Die Abende mit Petra waren in den letzten Monaten selten amüsant gewesen, ein klärendes Gespräch stand an, bei dem Martin das Gefühl hatte, dass es das letzte sein könnte. Nun gut, auf diese Weise konnte er in die Sauna gehen und anschließend zum Masseur, sein Rücken hatte es verdient. Auf jeden Fall besser, als den Abend in einem öden Szene-Restaurant unter Selbstdarstellern zu verbringen. Außerdem beunruhigte es ihn, dass sich in Saint-Émilion niemand meldete.
    Um diese Zeit kochte Caroline normalerweise, die Kinder tobten durchs Haus oder wühlten sich durch den Garten. Später saßen alle zusammen in der Küche bei einem guten Wein und diskutierten angeregt über Gott und die Welt. Bei Gaston und Caroline fühlte Martin sich zu Hause, sie waren die Familie, die er so gerne gehabt hätte. Zu seinen eigenen Eltern hatte er nur sehr wenig Kontakt.
    Sein Vater war nie ein Familienmensch gewesen, er verkaufte der Welt lieber Maschinen. Seine Mutter gab die Gewinnbeteiligung aus und war mit Bridge-Freundinnen und Tennisplatz vollständig beschäftigt. Ihre Hunde waren ihr wichtiger als die Kinder. Die Bestien spürten Martins Abneigung und lagen knurrend unter dem Tisch, wenn er zu Besuch kam. Er versuchte sie zu bestechen, aber sie schnappten eher nach seiner Hand als nach den Brocken, die er ihnen zuwarf.
    Die Gleichgültigkeit seiner Eltern hatte ihm viel Bewegungsfreiheit gelassen. Für seine Freunde und für seine Langstreckenläufe hatten sie sich genauso wenig interessiert wie für seine erste Freundin. Schule und Studium hatte er mühelos hinter sich gebracht, wenn er Geld brauchte, hatte er es bekommen.
    Seine Schwester hatte den ihr vorgezeichneten Weg beschritten und einen Banker geheiratet, der ihr den gleichen Luxus bot, den ihre Mutter genoss. Der Ehemann war die Langeweile in Person, ihn bewegten Geld, die Börse und der Tom Jones Index , wie Martin ihn immer wieder provozieren konnte. Und Petra? Eigentlich war sie genauso. Äußerlichkeiten zählten viel für sie viel zu viel. Sie war keine Frau, die man heiraten konnte.
    Der letzte Kunde verließ das Geschäft, Frau Schnor ging nach Hause, Martin machte
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