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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux
Autoren: Paul Grote
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notgedrungen auf der sachlichen Ebene. «Kann man rausbekommen, mit welcher Bank Bichot zusammenarbeitet?»
    «Sieh an, auf einmal scheinst du meine Hilfe zu schätzen.»
    Martin gab sich einen Ruck. «Wir sehen uns heute Abend?», fragte er übergangslos. Er suchte nach einem Halt, jetzt, wo sein Laden abgebrannt war und er sich auch in seiner Wohnung nicht mehr sicher fühlen konnte. Er brauchte einen Menschen, an dem er sich orientieren konnte, der ihn nicht bei jeder Schwierigkeit verlassen würde.
    Knapp vier Stunden später landete seine Maschine in Bordeaux. Im Wagen nahm Martin zuerst die Waffe aus dem Handschuhfach. Mit ihr in der Tasche fühlte er sich dem gewachsen, was auf ihn zukommen würde, obwohl er keine Ahnung hatte, was es sein könnte. Wenn sie ihn weggelockt hatten, um ungestört den 1990er Jahrgang abzufüllen, dann könnte er sie in flagranti erwischen, Grivot verständigen, und die Sache wäre ausgestanden. Aber würde der sich darauf einlassen?
    Der Sicherheitsdienst in Saint-Émilion war auf Posten, mit den Kindern und Caroline alles in Ordnung. Fürs Erste war Martin beruhigt. Jacques sei da gewesen, erzählte Caroline, hilfsbereit und keineswegs mürrisch; sie hätte ihm den Zettel mit den Hinweisen gegeben. Morgen wolle er den Wein von der Maische nehmen, Jérômes würde natürlich helfen.
    «Am besten machen wir das morgen früh zu zweit...»
    «Und wenn du nicht zu müde bist - Charlotte erwartet dich», sagte Caroline abschließend. «Sie hat Informationen über die Bankverbindungen von Bichot.» Carolines Lächeln brachte diskret zum Ausdruck, dass es Charlotte wohl nicht nur um Bankverbindungen ging.
    Martin hatte noch immer den ausgebrannten Laden vor Augen und den Brandgeruch in der Nase. Er fühlte sich schmutzig. Ein heißes Bad brachte Entspannung, und das Lavendelöl im Badewasser reinigte auch die Nase. Er rasierte sich gründlich und zog sich sorgfältig an, zu der hellen Flanellhose passten sein weich fallendes, weißes Hemd und die schwarze Weste, die er lange nicht getragen hatte. Die dicke Wetterjacke darüber und die Stiefeletten mussten sein, es konnte jeden Augenblick wieder regnen.
    Wie schnell er gegangen war, merkte er erst, als er außer Atem drüben ankam. Er klopfte laut, Charlotte öffnete, sie sah wunderbar aus. Sie trug das Haar hochgesteckt, wie an jenem Abend auf Grandville, einen weiten Seidenpullover in einem cremigen Beige mit rundem Halsausschnitt, der ihre Schultern freiließ und diesen wunderbaren Nacken betonte, der Martin vom ersten Moment an fasziniert hatte. Obwohl die Hose im dezenten, blassen Grün der Blätter von Herbstastern nicht eng geschnitten war, unterstrich sie Charlottes Figur. Martin war hingerissen.
    Zögernd begrüßten sich beide, sie trat zurück, er machte einen Schritt in den Flur, als er sich von ihrem Anblick losgerissen hatte, und sah sich suchend um.
    Charlotte las seine Gedanken: «Sie sind übers Wochenende nach Bordeaux - zu meiner Tante.» Sie wurde rot wie ein junges Mädchen, wich zurück zur Küchentür und stieß sie auf. Drinnen war der Tisch gedeckt, Champagnergläser standen neben den Gedecken, nur die Kerzen brannten noch nicht.
    «Willst du mich verführen?», fragte Martin mit trockenem Mund, forsch seine Unsicherheit überspielend, und wunderte sich, dass sein Herz bis zum Hals klopfte.
    «Ja», sagte Charlotte einfach und blickte ihn offen an.
    «Dann tu es.» Martin ging auf sie zu, fasste ihre Schultern und sah ihr in die Augen, die viel brauner waren als sonst, und kurz bevor seine Knie wirklich weich wurden, nahm er ihren Kopf in die Hände, sah ihren Mund auf sich zukommen, spürte ihren warmen Duft - eine sommerliche Wiese, um sich hineinfallen zu lassen - und küsste sie.
    «Vor oder nach dem Dinner?», hauchte Charlotte schmunzelnd, als sie sich von ihm löste.
    Als Martin in der Frühe ans Fenster trat, lagen feuchte graue Schleier über den Hügeln, die Wolken hatten sich auf den Boden gesenkt. Die Sicht tendierte gegen null, eigentlich ein Tag, um im Bett zu bleiben. Er drehte sich um, sah Charlotte in die Laken eingewickelt, betrachtete sie wehmütig und wäre gern zu ihrem warmen, weichen Körper zurückgekehrt, aber Jacques würde jeden Moment kommen. Leise zog er sich an.
    «Bemüh dich nicht», sagte Charlotte, die ihn heimlich beobachtet hatte. «Auf dem Land muss man eben früh raus. Ich mache dir Kaffee.»
    «Wieso hast du eigentlich Zeit?» Martin ging zurück zum Bett, setzte sich auf die
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