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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux
Autoren: Paul Grote
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sondern um sich selbst. Ach, ist mir auch ziemlich egal.»
    Er dankte dem Patron, entschuldigte sich noch einmal, dass er ihn so früh aus dem Bett geholt hatte, und steckte das Handy in die Tasche. Dabei berührte er den Revolver und erschrak, er hatte ihn gewohnheitsmäßig eingesteckt. Wie gut, dass er es noch rechtzeitig bemerkt hatte, am Flugplatz wäre es zu spät gewesen. Er legte ihn ins Handschuhfach.
    Nachdem er den Wagen im Parkhaus abgestellt hatte, lief Martin hinüber zum Terminal. Er versuchte, seine Gedanken einigermaßen zu sortieren, Überlegungen von Gefühlen zu trennen. In sich spürte er etwas, das er nur als Vergeltungsdrang oder Rachsucht beschreiben konnte. Wenn er doch nur wüsste, wer sein Feind war.
    Er ertappte sich bei der Vorstellung, Garenne in einem Gärbottich untergehen zu sehen, eine Hand im Todeskampf aus dem Tresterhut gereckt. Nein, zu melodramatisch. Im Stillen musste er Grivot Recht geben: Bislang hatte er keinen Beweis, dass Garenne der Drahtzieher war. Jetzt war auch noch Bichot in den Kreis der Verdächtigen getreten. Der Landedelmann hatte gelogen. Denn er war es gewesen, der Gaston den Haut-Bourton gegeben hatte, was konnten die Kürzel in Gastons Kladde anderes bedeuten?
    Verdammt. Wer würde Grivot die Fotos der Einbrecher bringen? Sie steckten in einem Umschlag, in der Innentasche seiner Regenjacke. Er könnte Charlotte darum bitten - oder war das zu viel verlangt? Wenn sie es nicht tat, würde es sich ewig lang hinziehen, bis man wüsste, ob Fahrzeughalter und Gesicht auf dem Foto übereinstimmten. Und wenn der Wagen gestohlen war? Hoffentlich hatte wenigstens Sichel etwas über Garennes Geschäftsverbindungen herausgefunden.
    Niedergeschlagen ging Martin zum Abflug. Ihm war kotzelend. Was würde ihn am Ende des Fluges erwarten?
    Es roch nach Rauch, nasser Asche und verbranntem Holz, nach Wein und verkohlter Pappe. Es stank nach Plastik und Mörtel. Martin hob das rot-weiß gestreifte Band der Absperrung an, das den Torweg versperrte, zwängte sich darunter hindurch und ließ seinen Blick über den Hof streichen. Ein Kombi der Feuerwehr stand dort, die Brandwache war also noch nicht abgezogen worden, der Feuerwehrmann kam auf ihn zu. Martin trat ans Schaufenster seines ehemaligen Geschäfts. Einzelne Splitter hingen noch im Rahmen.
    Er hatte viele Bilder von Häusern gesehen, die das Feuer zerstört hatte. Eigentlich waren solche Aufnahmen fast täglich auf jedem x-beliebigen Fernsehsender zu sehen, überall auf der Welt. Aber das hier war Wirklichkeit, sein eigenes Leben.
    Asche auf dem Boden, die verkohlte Theke, eingestürzte und verrußte Regale, Scherben und feinste Splitter überall, Glas, wohin er blickte, Flaschenhälse und -böden, geborstene Karaffen, geschmolzen, ausgeglüht...
    «Bitte verlassen Sie die Brandstelle!», sagte der Feuerwehrmann, «Einsturzgefahr», und wollte Martin zum Tor dirigieren.
    «Das ist mein ... das war mein Laden, das hat alles mal mir gehört», sagte Martin. Das Entsetzen war ihm ins Gesicht geschrieben.
    «Das tut mir Leid», sagte der Feuerwehrmann und trat beiseite. Im ehemaligen Büro sah es nicht viel anders aus als vorn im Laden. Kein Aktenordner stand mehr im Regal, kaum ein Buch, das noch lesbar war, alles war verbrannt, zerfetzt, verkohlt oder vom Löschwasser aufgeweicht. Alle Büromaschinen einschließlich der Rechner waren Schrott, aber wenn Frau Schnor sich an seine Anweisungen gehalten hatte, was zu vermuten war, dann waren die Daten gesichert. Doch - wie würden die Betriebsprüfer reagieren, wenn sämtliche Belege und Zollerklärungen vernichtet waren? Würden sie annehmen, dass er selbst zu dieser uralten und weit verbreiteten Methode gegriffen hatte, um Beweismittel zu vernichten?
    Im Schutt sah er das Foto von Gastons und Carolines Haus mit dem Weinberg, oder besser das, was davon noch übrig war: Das Glas war zerbrochen, der Rahmen gesplittert, das Bild halb verbrannt. Ich bringe ihn um, dachte Martin hasserfüllt, ich bringe Garenne um und den Korsen auch, und die Tränen, die ihm nun übers Gesicht liefen, waren Tränen der Wut. Er zerschlug den Rahmen und nahm das Foto an sich.
    Die wertvollen Weine im Keller waren nahezu unversehrt. Im Teppichgeschäft gegenüber half man mit etlichen Metern Plastikfolie aus, um die Kisten vor dem tropfenden Löschwasser zu schützen. Als er alles mit Hilfe des Feuerwehrmannes abgedeckt hatte, traf Frau Schnor ein. Sie sah grau aus, müde und verweint. Martin hätte nie
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