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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux
Autoren: Paul Grote
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Großbritannien ist, wissen wir noch nicht.»
    «Was heißt ‹wir›?»
    «Du darfst gern alles essen, aber nicht alles wissen. O.k.? Geschäftsfreunde eben. Und dann ist bei mir im Büro ein Paket für dich angekommen. Ich habe es aufgemacht, es wird dir gefallen.» Sichel betrachtete nachdenklich die Ruine des Ladens. «Wenn ich mir das so ansehe, dann ist das keine Maßnahme gegen dich, sie schadet dir nicht wirklich. Bitte, versteh mich nicht falsch», sagte er rasch, als er Martins fassungslosen Gesichtsausdruck bemerkte. «Das war nicht dein Lebenswerk, sondern was zum Geldverdienen. Für mich wirft sich die Frage auf, was dahinter steckt. Was hast du gemacht, als du von dem Brand gehört hast?»
    «Ich bin sofort gekommen.» Martin brauchte einen Moment, bis bei ihm der Groschen fiel. «Mensch, Sichel! Genau, wahrscheinlich war es das, was sie wollten.»
    «Das denke ich auch. Und während du hier bist, läuft in Bordeaux das Ding. Du hast beobachtet, dass sie Kisten mit einem anderen Jahrgang bedruckt haben? Das wird es sein. Kapiert?»
    «Ich könnte die letzte Maschine kriegen ...»
    «Was hindert dich?», sagte Sichel und grinste, «wenn du Geld brauchst... hast du eine ...?»
    «Ja, mit sechs Schuss.» Martin stand auf, seine Lebensgeister kehrten zurück. Er begriff, dass jetzt alles auf eine Entscheidung zulief. Schlimm wäre nur, wenn Caroline und den Kindern etwas zustieße.
    «Viel Glück», raunte Sichel, als er den Mann vom Staatsschutz bemerkte, der sich ihnen von hinten genähert hatte.
    «Sie halten sich zu unserer Verfügung, Herr Bongers!», befahl er. Martin erinnerte sich nicht an seinen Namen, oder hatte er sich nicht vorgestellt? «Bleiben Sie auf jeden Fall in Frankfurt. Heute brauchen wir Sie nicht, aber morgen haben Sie sich hoffentlich so weit beruhigt, dass man sich mit Ihnen unterhalten kann, wie unter zivilisierten Menschen üblich.»
    «Selbstverständlich», antwortete Martin mit einem Vertrauen schaffenden Lächeln und wünschte, dass er dem Mann, der ihm zutiefst unsympathisch war, möglichst nie wieder begegnete. Der kann mich mal, dachte er und ging zu Frau Schnor, die er in seine Reisepläne einweihte. Er verpflichtete sie zum Schweigen: «Nur Sie und Sichel wissen, wo ich bin. Zu keinem Menschen ein Wort! Sie wissen von nichts, haben mich nicht gesehen, und wenn es Sie beruhigt, Ihr Gehalt läuft weiter.»
    Frau Schnor war am Ende ihrer Kräfte; was hier und gleichzeitig in Bordeaux geschah, überstieg ihr Fassungsvermögen. Sie nickte ergeben.
    Bei Air France bekam Martin noch einen Flug über Paris mit Anschluss nach Bordeaux. Er bestellte ein Taxi und holte die Reisetasche, die er an der Tür des ausgebrannten Ladens hatte stehen lassen. Sein letzter Blick galt der Ruine. Es war ein Abschied von den letzten zehn Jahren seines Lebens. Damit es weitergehen konnte, musste er jetzt etwas anderes erledigen.
    In gebrochenem Deutsch und mit französischem Akzent nannte er dem Taxifahrer Sichels Büro als Ziel, wusch sich dort, wischte die Asche von den Schuhen und bürstete notdürftig die Flecken vom Anzug. Mit der Kiste Haut-Bourton aus Singapur, die Sichel entgegengenommen hatte, ließ er sich zum Flughafen fahren. Unterwegs rief er Charlotte an, auch sie hatte Neuigkeiten.
    «Gewisse Verbindungen in die Politik können hilfreich sein, Martin. Eine Freundin von mir kennt einen Mann bei Gericht. Der hat einen Blick in die Akten von 1943 im Fall Garenne geworfen. Er bestätigt, was Grivot gesagt hat: Haut-Bourton gehörte früher dem Großvater von Bichot, einem begnadeten Winzer. Aber er war auch ein Spieler und hat das Château mit allem Inventar bei irgendeinem Kartenspiel an den alten Garenne verloren. Wird ihm nicht allzu wehgetan haben, es war nur eins von zehn, aber ein Filetstück. Und als Großvater Garenne den gefälschten Wein an die Wehrmacht verkauft hat, hat Großvater Bichot ihn verraten - und nicht der faschistische Arbeiter, wie sie immer behauptet haben. Der alte Bichot wird darauf spekuliert haben, dass sie ihm für den Verrat sein Gut zurückgeben, haben sie aber nicht. Nur, wie das jetzt mit den aktuellen Ereignissen zusammenhängt, da blicke ich nicht durch. Alles im Leben wiederholt sich irgendwie ...»
    Jedes Mal, wenn Martin mit Charlotte telefonierte, war er befangen. Außerdem war das Thema nicht dazu angetan, ihr etwas Nettes zu sagen, wie zum Beispiel, dass er sich darauf freute, sie vielleicht am Abend wieder zu sehen. Also begegnete er ihr
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