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Engelsrache: Thriller

Engelsrache: Thriller

Titel: Engelsrache: Thriller
Autoren: Scott Pratt , Christian Quatmann
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12. April
    7:10 Uhr
    Ausgerechnet an meinem vierzigsten Geburtstag musste ich mich gleich morgens mit diesem Johnny Wayne Neal herumärgern. Nach Auskunft des psychiatrischen Sachverständigen, den ich engagiert hatte, war Johnny Wayne ein Narzisst, ein pathologischer Lügner und ein kompletter Soziopath, um nur seine positiveren Eigenschaften zu nennen. Der Seelendoktor hatte Johnny Wayne als »hoffnungsloses Monster« bezeichnet. Auf ein schriftliches Gutachten hatte ich deshalb von vornherein verzichtet, schließlich sollte die Staatsanwaltschaft von dieser Einschätzung nach Möglichkeit nichts erfahren. Monster hin oder her, immerhin war dieser Johnny Wayne mein Mandant.
    Johnny Wayne Neal hatte zwei Gangster beauftragt, seine ebenso schöne wie hochversicherte junge Frau zu ermorden. Vor ungefähr einem Jahr war die junge Frau an einem Mittwochmorgen um drei Uhr früh durch zwei Fremde geweckt worden, die neben ihrem Bett standen. Die beiden Männer hatten mit äußerster Brutalität mit Messern auf sie eingestochen. Johnny Waynes dreijähriger Sohn, der in jener Nacht bei seiner Mutter geschlafen hatte, war in Panik unter das Bett gekrochen und hatte von dort aus die Hilferufe seiner sterbenden Mutter mit anhören müssen. Die Kriminalpolizei des Staates Tennessee, kurz TBI, und die Stadtpolizei von Johnson City hatten nicht mal eine Woche gebraucht, um das Verbrechen aufzuklären. Johnny Wayne wurde unter Mordverdacht festgenommen, und die Staatsanwaltschaft wollte den Mann wegen der besonderen Heimtücke des Verbrechens hängen sehen. Ein herzloser Richter hatte mich zum Pflichtverteidiger bestellt. Das Stundenhonorar von hundert Dollar entsprach etwa dem, was eine zweitklassige Prostituierte in derselben Zeit erwirtschaften konnte.
    Die Staatsanwaltschaft hatte angeboten, keinen Antrag auf Verhängung der Todesstrafe zu stellen, falls Johnny Wayne ein Geständnis ablegte und bereit war, den Rest seines Lebens im Gefängnis zu verbringen. Vor etwa einer Woche hatte ich Johnny Wayne von dem Angebot in Kenntnis gesetzt, und er hatte widerstrebend zugestimmt. Deshalb war für neun Uhr früh ein Termin bei Gericht anberaumt, damit Johnny Wayne dort ein offizielles Geständnis ablegen konnte. Ich war für alle Fälle noch einmal ins Gefängnis gefahren, um mich zu vergewissern, dass er seine Meinung nicht geändert hatte.
    Nachdem ich eine Viertelstunde im Anwaltszimmer gewartet hatte, wurde Johnny Wayne in einem makellos gebügelten, orangefarbenen Overall hereingeführt. Seine Handschellen waren vor dem Bauch an einer Gürtelkette befestigt, außerdem trug er Fußfesseln.
    »Bevor wir vor den Richter treten, wollte ich mich nochmals vergewissern, ob Sie den Vorschlag der Staatsanwaltschaft weiterhin akzeptieren«, sagte ich, nachdem die uniformierten Sicherheitsleute den Raum wieder verlassen hatten und Johnny Wayne sich unbeholfen auf seinen Stuhl gesetzt hatte. »Wenn Sie das Geständnis abgelegt haben, gibt es nämlich kein Zurück mehr.«
    Johnny Wayne starrte auf die Tischplatte. Sein dünnes strohblondes Haar war sorgfältig gekämmt. Der nicht mal einen Meter achtzig große, hagere Mann war deutlich kleiner als ich. Sein Gesicht und seine Arme waren mit winzigen rötlichen Flecken gesprenkelt. Er trommelte nervös mit den Fingern auf die Tischplatte, und mir fiel auf, dass seine Nägel frisch manikürt waren. Er roch nach Shampoo.
    »Wie schaffen Sie es nur, hier im Knast immer so tadellos gepflegt zu sein?«, fragte ich. »Man könnte fast meinen, dass Sie direkt aus dem Schönheitssalon kommen.«
    Er verdrehte die Augen. Sie waren hellgrün, hier und da – je nach Lichteinfall – rot gefleckt und standen eng zusammen. Das linke Auge blickte meist ins Leere. Ihn direkt anzusehen war deshalb nicht sehr angenehm, da es kaum möglich war, seinen Blick einzufangen.
    »Ich muss doch nicht wie ein Schwein herumlaufen, bloß weil ich hier eingesperrt bin«, entgegnete er. »Außerdem gibt es hier genügend Leute vom Fach.«
    »Sie meinen zum Beispiel einen Friseur?«
    »Ja, einer meiner Mithäftlinge ist Friseur. Der besucht mich jede Woche in meiner Zelle, stutzt mir den Bart und wäscht und schneidet mir das Haar.«
    »Von Maniküre scheint er auch was zu verstehen.« Ich betrachtete seine Fingernägel.
    »Das mache ich selbst.«
    »Und wer macht Ihnen die Wäsche? Die Mandanten, mit denen ich es sonst zu tun habe, sehen meist aus, als ob sie in der Anstaltsuniform schlafen.«
    Ich wusste genau, dass meine
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