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Tod im Staub

Tod im Staub

Titel: Tod im Staub
Autoren: Brian W. Aldiss
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hinauf, über der eine einzelne, große schwarze Glocke hing. Ich sah, daß Justine eine Decke ausgebreitet und auch ein Kissen, eine Thermosflasche und ein großkalibriges Repetiergewehr mit Zielfernrohr mitgebracht hatte. Es lag quer über der Decke.
    Sie schob eine Hand unter meinem Arm durch.
    »Sie werden es doch schaffen, Knowle? Ich meine, sind Sie ein guter Schütze? Sind Sie ganz sicher? Wir dürfen keine Fehler machen.«
    »Justine ... So hören Sie doch, Justine! Entweder sind Sie wahnsinnig oder von Mercator hypnotisiert, der genauso verrückt ist wie Sie. Sie wissen genausogut wie ich, daß der Präsident el Mahasset ein fähiger Mann ist, daß er der einzige Mensch ist, der Afrika und der Welt den Frieden erhalten kann. Wir können ihn nicht erschießen! Ich weiß, daß Sie sich nichts aus mir machen; für Sie zählt nur Mercator, ihr geliebter Peter. Und deshalb sollen Sie erfahren, weshalb er will, daß der Präsident erschossen wird.«
    Sie trat einen Schritt zurück und betrachtete mich mit leicht auf die Seite geneigtem Kopf, so daß ich die herrliche Linie ihres Halses sehen konnte. Ihr Kleid hatte nur am Ausschnitt eine schmale, weiße Borte, sonst war es in strengem Schwarz gehalten - vielleicht war es das Kleid, das sie in einem ihrer Briefe erwähnt hatte. Selbst ihre Augen waren ganz dunkel geworden, als sie mich anstarrte, und ich dachte, daß sie wirklich wie das Abbild eines Henkers aussah. Ihr Gesicht wurde hart, als sie sagte: »Dann erzählen Sie mir, weshalb Peter will, daß der Präsident getötet wird, Knowle.«
    So erklärte ich ihr, daß Mercator sein Vermögen jetzt in der Antigravitations-Forschung investiert habe, und daß ich fest davon überzeugt sei, er wolle von einem Weltkrieg profitieren. Während ich noch sprach, wandte sie sich mit einer Geste der Resignation und des Abscheus von mir ab. Ohne daß ich es verhindern konnte, wurde meine Stimme immer unsicherer und brach schließlich ab.
    »Was ist das für ein schmutziges, materialistisches Argument, das Sie da vorbringen!« sagte sie beherrscht.
    »Nein, Justine. Versuchen Sie nicht, der Wahrheit auszuweichen, indem Sie sie verunglimpfen. Sie müssen diesen ganzen Attentatsplan vergessen. Ich glaube mit gutem Grund annehmen zu dürfen, daß Mercator tot ist, daß er und sein Arzt von seinen Feinden umgebracht wurden, sonst wäre er ins Hotel zurückgekommen, bevor ich wegging. Vergessen Sie ihn, und vergessen Sie auch den ganzen Unsinn, den er Ihnen erzählt hat, und kommen Sie mit mir.«
    »Sie werden mich niemals von hier wegbringen!«
    »Sie müssen aber weg, bevor die Polizei da ist. Mercator trug Ihre Briefe bei sich, so daß Sie jetzt gleichfalls belastet sind.«
    Als ob sie mich gar nicht gehört hätte, wandte sie sich zu mir um und sagte noch einmal: »Was für ein abscheuliches, materialistisches Argument Sie vorbringen, um Peters Motive zu beschmutzen! Knowle, ich will Ihnen hier und jetzt die ganze Wahrheit sagen. Wir werden ja sehen, ob Sie sie vertragen können. Sie haben Peter und mich von Anfang an falsch beurteilt. Er war ein Farmer, und Sie fürchteten ihn. Aber er hat sich ständig bemüht, die Bedingungen auf dem Land zu mildern - selbst wenn sie außerhalb seines Machtbereiches lagen. Er hat auch ihnen geholfen, obwohl Sie niemals den Anstand besaßen, das anzuerkennen. Jetzt arbeitet er für das Wohl der Allgemeinheit, aber das dürfte so weit außerhalb Ihres Begriffsvermögens liegen, daß Sie es niemals verstehen werden. Ebensowenig glaube ich, daß Sie jemals mich verstanden haben - aber das tut nichts zur Sache.
    Ich will Ihnen erklären, wie sehr Sie im Unrecht waren und noch sind. Wir beide, Peter und ich, gehören einer der zahllosen Geheimreligionen an, wie es sie in all den armseligen Städten auf dieser Welt gibt. Aber unsere, der Abstinenzler-Kult, ist die strengste von allen. Haben Sie jemals etwas von den Abstinenzlern gehört?«
    Das hatte ich zwar, aber ich hatte immer geglaubt, es handle sich dabei nur um eine Modesache, mit der sich die oberen Zehntausend die Zeit vertrieben.
    »Die Abstinenzler«, fuhr Justine fort, »tun alles, was in ihrer Macht steht, um die große Masse dazu zu bringen, geeignete empfängnisverhütende Maßnahmen anzuwenden; aber obwohl einige dieser Methoden schon seit Jahrhunderten bekannt sind, kann man sie keinen Menschen aufzwingen, deren soziales Bewußtsein unter ein bestimmtes Niveau abgesunken ist.«
    »Und wer ist daran schuld?« fragte ich heftig.
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