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Tod im Staub

Tod im Staub

Titel: Tod im Staub
Autoren: Brian W. Aldiss
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Präsidenten von Afrika ermorden wollte. Mercator war ein Schurke in einem ganzen Hotel voller Schurken - in einem Hotel, in dem ich ungestört geschlafen hatte! Ich erinnerte mich an den Toten im Nebenzimmer und wie er aussah. Ich erinnerte mich, daß ich den alten Thunderpeck und die seltsame und glücklose Justine Smith suchen mußte.
    Also ans Werk!
    Ich hätte gern ein Glas Wasser getrunken, weil mein Mund ganz ausgetrocknet war, aber es tröpfelte so spärlich aus der Leitung, daß ich darauf verzichtete. Jetzt, da ich die Initiative ergriffen hatte, trieb die Sorge mich an.
    Um weniger aufzufallen, zog ich ein sauberes Obergewand von Mercator an. Ich bemühte mich, jedes Gefühl zu unterdrücken, als ich den Dolch mit dem Silbergriff zwischen Israts Rippen herauszog, an seiner Kleidung abwischte und in meinen Ärmel schob. Vielleicht würde ich ihn brauchen; ich konnte ja nicht wissen, wer vor Mercators Tür Wache stand.
    Plötzlich fiel mir ein, daß Mercator und der Arzt schon längst hätten zurück sein müssen. Irgend etwas hatte nicht geklappt.
    Ich verließ die Suite vorsichtiger, als ich sie betreten hatte. Niemand war zu sehen. Im Erdgeschoß lungerten ein paar Hotelangestellte faul und mürrisch herum, wie es zu so früher Stunde ihr gutes Recht ist.
    Es war jene Stunde des Übergangs und der Kühle, wenn die Sonne schon aufgegangen ist, aber noch nicht ihre volle Kraft entfaltet hat; dies ist der Frühling, der jeden Tag aufs neue mit seinen kühlen Lüften in die Tropen kommt. Ich liebe diese Stimmung noch heute, und selbst damals entzückte sie mich trotz der Sorgen, die auf meinem Herzen lasteten.
    Thunderpeck und ich hatten verabredet, uns am Fuß des höchsten Turms am Platz des Präsidenten zu treffen. Aber wie lange würde er dort warten? Ich hatte keine Ahnung, wie es ihm ging, seit Israt ihn gestern nachmittag überwältigt hatte.
    Zu meiner Überraschung waren die Straßen schon belebt. Die Stadt hatte die Lastwagen der Baufirmen beschlagnahmt, die jetzt langsam durch die Straßen fuhren und über und über mit den Flaggen der afrikanischen Staaten bedeckt waren. An den Laternenpfählen lehnten hohe Leitern, und viele Männer waren damit beschäftigt, Wimpel und Fahnengirlanden anzubringen. Der Platz des Präsidenten bot das gleiche Bild; auch hier herrschte rege Aktivität. In der Mitte des Platzes war eine große Rednertribüne aufgestellt worden, und von einem Lieferwagen mit der Aufschrift »Allafrikanischer Rundfunk« luden Techniker Fernsehkameras und Mikrofone ab. In der Nähe stand ein Generator, dessen Kabel sich wie Schlangen über das halbfertige Bodenmosaik wanden.
    Auch Polizisten waren überall zu sehen, und ich ging ihnen sorgfältig aus dem Weg, während ich mich dem Tempel näherte. Von Thunderpeck war nichts zu sehen, und im Grunde genommen hatte ich das auch nicht erwartet. Eine Weile stand ich wartend da und lauschte dem Geräusch der fernen Brandung, die nach ihrer langen Reise in den Osten endlich die Küste Afrikas gefunden hatte. Dann schlüpfte ich unauffällig in den Tempel hinein.
    Soweit ich mich erinnern konnte, wollten Thunderpeck und ich uns am Fuß des Turms treffen. Vielleicht hatte er das wörtlich genommen; auf jeden Fall würde es sicherer sein, im Tempel selbst zu warten.
    Im Innern des Tempels brannten viele kunstvolle Ampeln, die an Ketten von der hochgewölbten Decke herabhingen. Trotzdem war es ziemlich dunkel, und durch die Fenster fiel das Licht nur gedämpft herein. Ein schwerer, süßlicher Geruch lag in der Luft. Ich ging nicht in den großen Innenraum des Tempels hinein, wo ich undeutlich Gestalten sehen konnte, die demütig auf dem nackten Steinboden lagen und Gnade und Kraft für den neuen Tag erflehten. Statt dessen bog ich hinter einer Zwischenwand aus Sandelholz ab und ging auf der Suche nach dem Aufgang zum Turm durch einen kleinen Raum, der vielleicht als Sakristei diente.
    Da klang in einem Nebengemach eine Männerstimme auf. Sie sang eine Art Psalm und wurde von einem monoton dröhnenden Musikinstrument begleitet, das mich an eine indische Trommel erinnerte; es war ein überwältigender, atemberaubender Klang, und fast wäre ich stehengeblieben, um ihm zu lauschen. Wieder wurde mir bewußt, daß es Reiche des Geistes gab, zu denen ich wohl nie Zugang haben würde.
    Hinter der Sakristei befand sich der Aufgang zum Turm. Hier war es fast völlig dunkel, da dieser Raum durch einen schweren Vorhang von der Sakristei abgetrennt war, und
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