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Tod im Staub

Tod im Staub

Titel: Tod im Staub
Autoren: Brian W. Aldiss
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Ausmaßes kommen. Die ganze gegenwärtige Sozialstruktur wird vernichtet werden.« Seine Stimme brach ab, dann stieß er hervor: »Noland, ich bin krank. Ich habe Lungenkrebs ... Sie haben gehört, was ich gesagt habe. Ich glaube nicht, daß ich noch die Kraft habe, den Präsidenten zu erschießen. Sie müssen es für mich tun.«
    Ich ließ mich neben ihm auf die Knie fallen und ballte die Hände.
    »Glauben Sie wirklich, ich würde Ihnen helfen, die Welt in einen Krieg zu stürzen? Sie sind wahnsinnig, Mercator! Eigentlich hätte ich das schon von Anfang an aus den Briefen erkennen müssen, die Justine Ihnen schrieb. Wer hat übrigens jetzt diese Briefe?«
    »Ich habe sie bei mir, aber ich bitte Sie inständig, mich anzuhören ...«
    »Ich habe genug gehört«, sagte ich. »Wirklich, Mercator, Sie tun mir leid. Aber ich werde den Präsidenten nicht erschießen. Und Sie auch nicht. Niemand wird es tun. Vielleicht sind Sie nur ein verrückter Idealist, aber es sind gerade die Idealisten, die seit Tausenden von Jahren immer wieder Unheil angerichtet haben.«
    Sein Gesicht verzerrte sich. »Verschonen Sie mich mit Ihren philosophischen Betrachtungen, Sie stupider Plebejer!«
    Ich stand auf. »Ich hole jetzt Ihren Arzt, und dann werde ich die Polizei informieren, wo Sie sind und was Sie vorhaben.«
    So schnell ich konnte, kletterte ich in meinen nassen und sandverkrusteten Kleidern den Abhang zur Promenade hinauf.
    Er rief mir nach, bis ich in der Menge der Spaziergänger verschwunden war und ihn nicht mehr hören konnte.
    Je näher ich dem Hotel kam, desto weniger Menschen waren unterwegs. Als ich den großen Platz des Präsidenten erreicht hatte, sah ich im Licht der Scheinwerfer, welche die fertigen Gebäude ausstrahlten, auf der Uhr des höchsten Turms, daß es schon nach Mitternacht war. Der Tag der Ankunft des Präsidenten war angebrochen.
    Es war nicht so sehr die Müdigkeit, die ich empfand, als vielmehr eine seltsame Leichtigkeit, die ich auf meinen leeren Magen zurückführte. Aber das Durstgefühl überstieg bei weitem den Hunger. Ich zwang mich, an etwas anderes zu denken, und versuchte, mir über das klarzuwerden, was Mercator gesagt hatte. Warum sollte ein Mensch, selbst wenn er wahnsinnig war, den Wunsch haben, die Welt zu zerstören? Ich rief mir seine Bemerkungen über seine finanzielle Beteiligung an der Antigravitationsforschung ins Gedächtnis zurück. Wenn ich die beiden Gespräche, die wir gehabt hatten, miteinander in Verbindung brachte, schien die Antwort klar auf der Hand zu liegen. Er wollte einen Krieg anzetteln, um noch mächtiger und reicher zu werden. In Anbetracht der überall herrschenden bitteren Armut und der Tatsache, daß der technologische Fortschritt sich hauptsächlich auf die Landwirtschaft und die damit zusammenhängenden Gebiete konzentrieren mußte, entwickelte sich die kommerzielle Auswertung der Forschungsergebnisse auf dem Sektor der Antigravitation nur sehr langsam. Aber durch einen Krieg konnte diese Entwicklung enorm beschleunigt werden; und der todkranke Mercator konnte es sich nicht mehr leisten, auf den Profit seiner Spekulationen noch länger zu warten.
    So war meiner Ansicht nach die Lage, und beim bloßen Gedanken daran war ich entsetzt.
    Trotzdem wollte ich mein Versprechen halten und zuerst ins Hotel Südatlantik gehen, um Mercators Arzt zu holen. So viel würde ich für ihn tun, wenn auch nur um Justines willen.
    Obwohl die Tür zu Mercators Suite offenstand, hatte ich keine Vorahnung eines Unheils, als ich eintrat. Das Wohnzimmer war ein einziges Bild des Chaos. Ich sah sofort, daß es in größter Eile durchsucht worden war. Der Inhalt von Schubladen und Schränken türmte sich auf dem Fußboden, die Bilder hingen schief oder waren zerbrochen, die Tische umgestürzt. Selbst den Teppich hatte man weggezerrt und in eine Ecke geschoben. Über der Rückenlehne eines Sessels hing Israt. Ich rannte zu ihm hin und rief ihn beim Namen, aber er war tot.
    Aus seinem Obergewand ragte der Griff eines kunstvoll mit Silber eingelegten Dolchs; er war von hinten erstochen worden. Ich konnte mindestens fünf Stichwunden erkennen und fragte mich schaudernd, wie ein Mensch zu einer solchen Mordgier überhaupt fähig sein konnte.
    Der Körper war noch warm, also konnte der Mord erst vor kurzer Zeit verübt worden sein. Während ich völlig verwirrt dastand und nur daran denken konnte, was wohl aus der ebenso bezaubernden wie unglücklichen Justine geworden war, hörte ich aus dem
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