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Tod im Dom

Tod im Dom

Titel: Tod im Dom
Autoren: Thomas Ziegler
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Stasi-Kameraden schwerlich mit der Makarow herumballern konnten, ohne Minuten später verhaftet zu werden, löste sich in Nichts auf.
    Was wollten sie im Königsforst?
    Das Gold vergraben?
    Wohl kaum. Eher uns.
    Wir holten auf. Die Rücklichter des Tracks kamen näher und näher, die riesigen Doppelreifen auch.
    »Nicht so dicht ran!« keuchte ich. »Was hast du vor? Willst du uns umbringen oder was?«
    »Halt dich lieber fest«, sagte Anja. »Ich setz jetzt zum Überholen an. Dann stoppen wir den Laster und machen diese Schweine fertig!«
    Mir sträubten sich die Haare. Anja hatte offenbar den Verstand verloren. Sie war größenwahnsinnig geworden. Wir hatten es hier nicht mit einem Mercedes oder einem Kleintransporter, sondern mit einem dreißig Tonnen schweren Truck zu tun, und schon den Kleintransporter hatten wir nur dank einer Handgranate abschütteln können!
    »O nein!« rief ich.
    »O ja!« schrie Anja und trat aufs Gas.
    Der Trabbi röhrte glücklich und machte einen Satz nach vorn, scherte nach links aus und zog am Heck des Lasters vorbei.
    Der Track scherte ebenfalls aus.
    Ich sah diese riesige Masse auf mich zukommen, und ich wußte: Das ist der Tod.
    Es war nicht der Tod, aber es war auch so schon schlimm genug – es gab einen ohrenbetäubenden Knall, als das Monstrum uns rammte, die Plastetür stülpte sich nach innen, die Fensterscheibe zerbarst, und die Wucht der Erschütterung fegte den Trabbi von der Straße. Wir schleuderten auf die dunkle Wand des Waldes zu, mähten einen Begrenzungspfahl nieder, hüpften über unebenen Boden und kehrten wie durch ein Wunder auf die Fahrbahn zurück.
    Durch das geborstene Fenster pfiff mir der kalte Wind ins schweißnasse Gesicht.
    Ich lehnte mich zurück und stieß dabei mit dem Ellbogen gegen die eingedrückte Tür, und das war eindeutig zuviel für sie – mit einem Knirschen löste sie sich aus der Verankerung und verschwand für immer in der Nacht.
    »Mein Trabbi!« schrie Anja außer sich vor Wut. »Was habt ihr mit meinem Trabbi gemacht?«
    Aber Scheller & Co. konnten sie nicht hören; die Rücklichter des 30-Tonners waren weit vor uns, rote Punkte in der Finsternis, wie die Augen eines lauernden Tieres. Ich klammerte mich wie schon sooft ans Armaturenbrett, damit mich der Fahrtwind nicht aus dem Trabbi riß, und wünschte mir, ich hätte mich nie auf diesen Irrsinn eingelassen.
    Zur Hölle mit dem Gold!
    Hier ging es um unser Leben!
    Wenn Anja so weitermachte, würde ich nie erfahren, was für wundervolle Dessous sie sich gekauft hatte.
    Anja gab entschlossen Gas.
    »Denen werd’ ich helfen, mir meinen Trabbi zu ruinieren«, knirschte sie. »Denen werd’ ich’s zeigen! Denen werd’ ich…«
    »Das ist glatter Selbstmord!« keuchte ich. »Hör auf damit! Wir haben keine Chance. Laß uns umkehren und die Polizei alarmieren. Anja! Hörst du mir überhaupt zu?«
    Das tat sie nicht.
    Scheller hatte ihren heißgeliebten rosaroten Trabbi in ein halbes Wrack verwandelt und die Bestie in ihr geweckt. Ich sah sie an, und ich wußte, daß sie nicht eher aufgeben würde, bis wir den 30-Tonner erledigt hatten oder im Straßengraben landeten.
    Wir holten wieder auf.
    Als die Rücklichter des Trucks nur noch ein knappes Dutzend Meter entfernt waren, hörte ich einen Knall. Im ersten Moment glaubte ich an eine Fehlzündung und hoffte insgeheim, daß der frisierte Trabbi-Motor den Geist aufgeben und so auf elegante Art diese Höllenfahrt beenden würde, doch ich hatte mich getäuscht – es knallte wieder, und diesmal sah ich das Mündungsfeuer der Pistole.
    Zum Glück verfehlte uns auch die zweite Kugel.
    »Sie schießen!« schrie ich Anja durch den Motorenlärm zu. »Menschenskind, diese Bastarde schießen auf uns! Laß uns um Gottes willen abhauen!«
    Meine Worte verfehlten jede Wirkung.
    Anja steuerte auf die linke Fahrspur und setzte zum nächsten Überholmanöver an. Ich wartete auf den dritten Schuß, doch er kam nicht. Wir bretterten im sicheren Abstand von zwei Metern am Heck des Trucks vorbei und waren ein paar Sekunden später in Höhe der Fahrertür.
    Der Major starrte mich haßerfüllt durch das heruntergekurbelte Fenster an. Dann tauchte neben ihm Pauls zugepflasterte Visage auf. Er grinste und richtete die Makarow auf mich. Der Major grinste auch. Nur ich grinste nicht.
    Ich hatte Angst.
    Aus den Augenwinkeln sah ich vor uns eine scharfe Kurve, und ich dachte noch, wie leichtsinnig es doch vom Major war, sich nicht auf die Straße zu konzentrieren, als
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