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Tod im Dom

Tod im Dom

Titel: Tod im Dom
Autoren: Thomas Ziegler
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der Schuß peitschte. Die Kugel pfiff an meinem Kopf vorbei und durchschlug das linke hintere Fenster.
    Im gleichen Moment trat Anja voll auf die Bremse.
    Der Truck brauste an uns vorbei, mit unverminderter Geschwindigkeit in die Kurve und geradewegs in den Wald hinein, knickte die jungen Bäume wie Streichhölzer, pflügte donnernd und krachend eine tiefe Schneise durch das Unterholz, bis ihn eine uralte mächtige Eiche stoppte.
    »Juhu!« krähte Anja und drehte hektisch am Lenkrad, um den schleudernden Trabbi wieder unter Kontrolle zu bringen.
    Es gelang ihr nicht.
    Ich sah den Wald auf uns zukommen, spürte einen gewaltigen Schlag – und dann wurde es finster um mich.
     
    Inzwischen sind einige Wochen vergangen. Ich mußte die Weihnachtstage im Krankenhaus verbringen – Knochenbrüche, Prellungen, Schnittwunden, das Übliche eben, wenn man so verrückt ist wie ich und sich eine Freundin mit Kamikazementalität zulegt – aber der Gips ist mittlerweile ab und mein teuflisch gutes Aussehen wiederhergestellt.
    Anja kam mich täglich im Krankenhaus besuchen, um mit ihrer Liebe den Heilungsprozeß zu fördern, wie sie sagte, und mir ihre Dessous zu zeigen. Sie sind wirklich ganz entzückend, und inzwischen betrachte ich sie mir jede Nacht.
    Scheller, Paul und der Major haben den Zusammenstoß mit dem Königsforst erwartungsgemäß überlebt und dank ihrer zähen Konstitution weit weniger Blessuren davongetragen als ich, aber da sie im Gefängnis sitzen und ich die Freiheit genieße, nehme ich es ihnen nicht weiter übel.
    Die einzige, die die höllische Verfolgungsjagd völlig unbeschädigt überstanden hat, ist Anja, doch sie trauert um ihren heißgeliebten rosaroten Trabbi, der nie wieder die Autobahnen Deutschlands verunsichern wird.
    Aber auf die Dauer wäre er ohnehin zu klein gewesen für uns, und seit ihrem letzten Besuch beim Mercedeshändler hat ihre Trauer merklich nachgelassen.
    Das größte Problem war, Polizei und Staatsanwalt davon zu überzeugen, daß ich im Grunde meines Herzens ein gesetzestreuer Mensch bin, dem nichts ferner liegt, als die Finger in fremde Taschen zu stecken. Es hat einige peinliche Fragen gegeben, in denen viel von einem Gipsarm, geklauten Schlangenlederbörsen, dem Mißbrauch einer Handgranate und mangelndem Vertrauen zu den Behörden die Rede war, aber dank meiner unbestreitbaren Verdienste um das Vaterland wird man keine Anklage gegen mich erheben.
    Was den Terrorismus betrifft, so glaube ich nicht, daß mit Schellers Verhaftung die Gefahr beseitigt ist. Im Osten gibt es viele Schellers. Wie es der Oberst gesagt hat – wenn man den alten Stasi-Leuten die Rente kürzt und den jungen jede Hoffnung auf eine Zukunft verbaut, bleibt ihnen nur der Griff zur Makarow.
    Doch das ist nicht mein Problem.
    Ich habe alle Hände voll mit Anja, ihren Dessous, den Dingen darunter und unseren Zukunftsplänen zu tun. Den Frühling werden wir auf Ibiza verbringen, wo sie mir ihre neue Kollektion an Bikinis und Strandkleidern vorführen wird.
    Seit München ist sie voll auf dem Konsumtrip.
    Aber da sie damals zwanzig dieser handlichen Ein-Kilo-Goldbarren aus dem Wrack des 30-Tonner-Diesels geborgen und im Wald verbuddelt hat, ehe sie Polizei und Rettungsdienst alarmierte, können wir uns den einen oder anderen Luxus leisten.
    Was eindeutig beweist, daß sie die richtige Frau für mich ist.
    Zumindest für eine Weile.

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