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Tod eines Mathematikers

Tod eines Mathematikers

Titel: Tod eines Mathematikers
Autoren: Kerstin Herrnkind / Walter K. Ludwig
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»C’mon, c’mon, c’mon …«
    Gitarrensolo. Kossek schloss die Augen. Hob ab. Jetzt galt es. Die rechte Hand. Jetzt sprach die Strat. Sie wimmerte, schrie, klagte. Kossek gab alles. Holte alles aus seiner Strat heraus. Die Band trug ihn. Er flog davon. Er vergaß alles um sich herum. Er war in einer anderen Welt, einer anderen Dimension. Dann kam Alessandro. Alessandro mit seiner Gibson Les Paul. Er spielte ein improvisiertes Solo. Guitar-Battle. Strat gegen Paula. Kossek und Alessandro pushten sich gegenseitig hoch. Die Welt stand still.
    Achteinhalb Minuten lang. Dann war es vorbei.
    Totenstille. Sekunden lang.
    Dann tosender Applaus. Der Saal tobte.
    Alexandra. Wo war Alexandra? Kossek suchte sie mit den Augen in der Menge. Da sah er sie. Sein Schatz stand am Rand, hatte die Hände vors Gesicht geschlagen. Kossek verbeugte sich artig, war sichtlich überwältigt, gerührt. Ja, gerührt. Er umarmte Axel und Alessandro, gab den anderen Musikern die Hand. Er war erschöpft, ausgelaugt, klitschnass geschwitzt. Aber er fühlte sich gut. Verdammt gut. Legte die rechte Hand auf sein Herz. Dann reckte er beide Arme in die Luft, winkte. Wie Jagger. Wie Moore. Besser. Er sprang lässig von der Bühne. Hände streckten sich ihm entgegen. Leute klopften ihm auf die Schulter, sprachen ihn an, machten ihm Komplimente. Doch er hatte es eilig, wollte zu Alexandra, bahnte sich den Weg durch die Menge.
    »Und? Ging’s einigermaßen?«, fragte er, nahm ihr sanft die Hände vom Gesicht, küsste sie.
    Sie fiel ihm um den Hals, weinte hemmungslos. »Noch nie hat jemand ein Lied für mich geschrieben, noch nie, noch nie, noch nie.«
    »Hätt ich jetzt gar nicht gedacht, dass der Alte gitarrenmäßig so gut drauf ist«, staunte Matze. »Alle Achtung. Und das in seinem Alter …«
    »Ich auch nicht«, stimmte ihm Gaga zu, die sich eng an ihn schmiegte. Seit drei Monaten waren sie ein Paar. Nach einem gemeinsamen Termin hatte Gaga Matze noch auf ein Bier zu sich nach Hause eingeladen. Tja und dann …
    »Ich schon«, widersprach Harry, »ihr hättet ihn damals in den Achtzigern erleben sollen, das war seine Glanzzeit. Und so was verlernt man halt nicht.«
    »Witzbold, da war ich noch nicht mal geboren«, echauffierte sich Gaga.
    »Wie dunkel muss die Welt damals gewesen sein«, säuselte Matze halb im Scherz und gab ihr einen Kuss. »Aber was is denn schon wieder mit der Katzenstein los?«, wunderte er sich. »Die heult ja wie ’n Schlosshund.«
    »Keine Ahnung. Irgendwas ist bei der doch immer«, brummte Harry.
    »Ist das die, die …?«, fragte Josefa Landsberg, genannt Josie. Die Bibliothekarin, die Harry in der Unibibliothek mit alten Vorlesungsverzeichnissen versorgt hatte, und Harry waren ebenfalls seit Kurzem unzertrennlich. Josie hatte sich, was eigentlich gegen ihre Berufsehre verstieß, aus dem Computer Harrys Daten besorgt, ihn angerufen, sich mit ihm verabredet. Tja und dann …
    »Ja, genau die«, bestätigte Harry und tastete nach ihrer Hand.
    »Redaktionszicke, Witwenschüttlerin und neuerdings Matratze vom Chef«, lästerte Gaga.
    »Also, so würd ich das jetzt nich formulieren, vor allem das Letztere nich«, protestierte Matze zaghaft.
    »Musste ja auch nicht, Dickerchen, aber ich sag es so«, beharrte Gaga trotzig.
    »Hat die denn die Sache damals einigermaßen gut überstanden?«, wollte Josie wissen.
    »Einigermaßen schon, denke ich. Sie war längere Zeit krankgeschrieben. Und als sie wieder zurückkommen sollte, hat sie gekündigt«, erzählte Matze.
    »Das muss ihr ziemlich zugesetzt haben«, vermutete die Bibliothekarin mitfühlend, »kann man ja auch verstehen.«
    »Eben«, warf Harry ein, »immerhin hat ihr ein mehrfacher Mörder und Vergewaltiger ein Messer an die Kehle gesetzt. Und hatte schon alles vorbereitet und eingerichtet, um sie jahrelang als Sexsklavin zu halten. Wenn die dem Arschloch nicht den Absatz ihres Pumps ins Auge gedonnert hätte … Um Mord und Verbrechen und diesen ganzen Dreck will sie jetzt jedenfalls einen großen Bogen machen.«
    »Schrecklich, schrecklich!« Josie schüttelte den Kopf. »Und was hat sie jetzt vor?«
    »Sie hat ein bisschen was geerbt und will sich nur noch mit schönen Dingen beschäftigen. Kunst, Literatur, Musik. Sie hat angefangen zu malen. Sie will das Abitur nachholen, vielleicht noch studieren. Oder einen Roman schreiben«, erzählte Matze.
    »Einen Krimi?«, erkundigte sich Josie.
    Matze musste sie enttäuschen. »Sicher nicht. Wohl eher einen
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