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Tod eines Mathematikers

Tod eines Mathematikers

Titel: Tod eines Mathematikers
Autoren: Kerstin Herrnkind / Walter K. Ludwig
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hätte er es getan.
    Der Psychiater blickte auf sein Handy. Die Signale vom Peilsender, den er unter Alexandras Wagen geklemmt hatte, verrieten, dass sie nach Hamburg fuhr. Vielleicht wieder zu diesen Mathematikern, mit denen sie sich gerade über das Erbe ihres Vaters geeinigt hatte. Und mit denen sie sogar Silvester gefeiert hatte, so als wäre nichts geschehen. Er hatte ihr sogar zugeraten. »Schaffen Sie Frieden in Ihrem Leben, das wird Ihnen guttun.«
    Fürchtenicht schüttelte den Kopf, zog seine Schreibtischschublade auf, holte den braunen Umschlag heraus. Er öffnete das Kuvert und zog den Slip hervor. Wenigstens ein kleiner Trost, ein Hauch in schwarzer Spitze, war ihm geblieben. Mmmmh. Und dann dieser getrocknete, helle Fleck auf dem Zwickel. Er spürte, wie er hart wurde.
    Nachdem Kollege Willich Alexandra entführt hatte, musste er sich erst mal eine ganze Weile gedulden. Ein Jahr lang, vielleicht sogar zwei. Bis Gras über die Sache gewachsen war. Dann aber würde er sich die kleine Katzenstein holen. So wie er sich die beiden anderen Frauen geholt hatte: Julia und Bianka.
    Sie waren Zufallsopfer gewesen. Mit einem VW-Transporter, den er geleast hatte, war er ziellos durch Bremen gefahren, hatte es nicht mehr ausgehalten im Mai 2000. Seine Fantasien waren übermächtig geworden. Er hatte die Stadt verlassen, war rausgefahren, die Stormer Landstraße entlang. Und dann, hinter der Ochtumbrücke, dort, wo Bremen zu Ende ist und man auf weite Felder blickt, hatte er diese junge Frau auf dem Fahrrad gesehen. Chloroform hatte er auch verwendet, wie Willich, dessen Namen er damals natürlich noch nicht gekannt hatte. Es war das beste Mittel. Schnell und wirkungsvoll. Aber dass er sich – wie Kollege Willich – ausgerechnet am 4.   Mai sein erstes Opfer geholt hatte, war Zufall gewesen.
    Fünf Jahre hatte er gezehrt von den schönen Stunden, die er mit der kleinen Julia verbracht hatte. Doch dann, Anfang 2005, war er wieder unruhig geworden. Es hatte ihn wieder hinausgezogen vor die Tore der Stadt. Die Fahrradsaison hatte begonnen. Und er war in den Bremer Westen gefahren. In der Niedervieländer Straße, in der nur ein paar Firmen ansässig waren, hatte er sie erblickt, diese Frau, die auf ihrem Fahrrad gegen den Wind anstrampelte. Was machten die Weiber auch in so einsamen Gegenden, da hatten sie es sich selbst zuzuschreiben, wenn ihnen etwas zustieß. Gleich am Tag der Entführung hatte er die Frauen ordentlich durchgenommen und erwürgt. Danach war er ins Teufelsmoor gefahren, wo er ihre Leichen versenkt hatte. Dort lagen sie heute noch.
    Eigentlich hatte er aufhören wollen. Obwohl es kribbelte, wenn er daran dachte, was er getan hatte. Und wie schön es gewesen war. Das Morden war – das würden seine dämlichen Psychiaterkollegen, die gerne in den Biografien von Tätern nach Motiven suchten, wohl nie begreifen – eine exquisite Erfahrung. Wer sich einmal aufgespielt hatte zum Herrn über Leben und Tod, wollte dieses erhabene Gefühl nicht mehr missen. Es machte süchtig. Obwohl es auch anstrengend war, zugegeben. Nach jedem Mord war er völlig fertig gewesen, konnte ein paar Tage nicht in die Praxis fahren, war zu Hause geblieben und hatte nur geschlafen.
    Zum Jahreswechsel 2009/2010 hatte er sich eigentlich vorgenommen, keine Frau zu entführen, obwohl die fünf Jahre um waren. Und es ihn schon wieder drängte. Doch er wollte sich beherrschen. Aber dann war Alexandra Katzenstein in seine Praxis gekommen, völlig aufgelöst nach dem Tod ihres Vaters. Sie hatte ihn ausgewählt, weil er neben seiner Praxis auch als Gerichtspsychiater tätig war. Er genoss den Ruf eines Gutachters, der sich besonders gut in die Seelen von Mördern einfühlen konnte. Die Richterinnen und Richter des Landgerichtes schätzten seine Meinung, gaben ihm immer mehr Aufträge.
    Nachdem Alexandra also zu ihm gekommen war, hatte er es sich anders überlegt. Außerdem hatte die Technik in der Zwischenzeit ja auch einen riesigen Sprung gemacht. Was konnte man heute nicht alles per Mausklick im Internet bestellen: Elektropicks, mit denen das Öffnen von Haustüren zum Kinderspiel wurde; GPS-Tracker für die Verfolgung von Autos; Minisender, also Wanzen, zum Abhören von Wohnungen. Und mit seiner schwarzen Brillenkamera für 129,90   Euro, die aussah wie ein teures Designermodell vom Optiker, hatte er heimlich unzählige Bilder von Alexandra geschossen, während sie ihm ahnungslos gegenübersaß. Seine beiden ersten Morde waren ihm
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