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Tod eines Maechtigen

Tod eines Maechtigen

Titel: Tod eines Maechtigen
Autoren: Vampira VA
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durch die Straßen und Gassen und senkte sich wolkenhaft über die Plätze, filterte das Licht der Sonne, bis nur blutiges Rot mehr über blieb.
    Der Sturm an jenem Morgen war nicht von schlimmster Art; unangenehm indes war er doch. Die feinen und feinsten Körnchen fanden überall Einlaß, drangen durch engste Ritzen von Türen und Fenstern in die Häuser und krochen insektengleich unter die Klei-dung der wenigen Leute, die zu so früher Stunde schon unterwegs waren.
    Mit feuchten Tüchern, die sie vor Mund und Nase trugen, schützten Gershom Chaim und sein Sohn David wenigstens ihre Atemwege. Auf Rücken, Brust und Armen kribbelte ihnen der Sand aber, als bewege er sich in unheimlichem Leben und aus eigener unmöglicher Kraft, und wie Salz ließ er ihre Augen tränen, obwohl sie die Lider fast geschlossen hielten.
    Blutnebel .
    Hätte Gershom Chaim, dieser brave, untadelige Mann, gewußt, welche Wende dieser Morgen im Leben seiner Familie markieren würde, hätte er in jenem Wort der Alten eine neue und furchtbare Bedeutung gelesen .
    So aber zog er arglos mit seinem Sohn hin zum Sha'ar Yafo, dem Jaffa-Tor, wie so oft. Drei- oder viermal in der Woche gingen sie diesen Weg, die Kettenstraße und die Davidstraße hinab. Früher hatte am Sha'ar Yafo die Straße vom Hafen Jaffa nach Jerusalem geendet, und solange sich die Stadt nicht über ihre alten Mauern hinaus erstreckt hatte, war das Jaffa-Tor der Treffpunkt für Händler aus dem Orient und dem Okzident gewesen. Diese Bedeutung hatte das Tor im Laufe der Zeit weitgehend eingebüßt; Gershom Chaim jedoch traf sich dort noch heute mit den Händlern, die seinen im jüdischen Viertel gelegenen Obst- und Gemüseladen belieferten. Weil es für die Lastwagen der Händler im engen Gassengewirr der Altstadt, wo Höhenunterschiede meist durch flache Stufen oder Treppen überwunden wurden, kaum ein Durchkommen gab, übernahm Chaim die frische Ware schon am Jaffa-Tor und brachte sie auf einem Eselskarren selbst zu seinem Laden. Was überdies noch den Handelspreis um ein paar Shekel drückte .
    David begleitete den Vater seit Jahren schon auf diesem frühmorgendlichen Weg und leistete ihm gute Hilfe. Denn das alte Eselchen der Familie mochte den vollbeladenen Karren nicht immer alleine ziehen, und wenn es über die Stufen der Altstadtgassen hinauf ging, dann bockte der Graue mitunter ganz und ließ seine Herren die schwere Last ziehen und schieben.
    Als Vater und Sohn das Jaffa-Tor an jenem Morgen erreichten, ließ der Sandsturm so plötzlich nach, als habe die Natur gnädig ein Einsehen mit ihnen. Denn in der Röte des Sturms und zudem noch behindert durch die Tücher wäre es ihnen kaum möglich gewesen, die Qualität der angebotenen Ware zur Genüge in Augenschein zu nehmen. So aber konnten sie die längst schon verkrusteten Tücher von den Gesichtern binden und auch den Esel von seinem Schutz befreien, derweil um sie her sich die letzten Staubwolken zu Boden senkten und dem warmen Bernsteinlicht der aufgehenden Sonne freie Bahn schufen.
    Gershom Chaim und sein Sohn waren die einzigen Geschäftsleute, die an jenem Morgen den Weg zum Jaffa-Tor im Blutnebel nicht gescheut hatten. Im nachhinein freilich wünschte Gershom, sie wären dem Beispiel der anderen gefolgt - aber wie hätte er denn ahnen sollen, was ihrer harrte? Hätte er dem Blutnebel einfach mehr Bedeutung beimessen, die Zeichen des Himmels nur erkennen müssen?
    Müßig, heute noch darüber nachzusinnen - und längst schon zu spät .
    Die Händler, die ihr Obst und Gemüse am Jaffa-Tor feilboten, fuhren samt und sonders abenteuerliche Vehikel. Der Transporter Ta-mir Tameyels allerdings übertraf alle anderen, weil er komplett im Eigenbau entstanden war. Ein Unikat, weltweit einzigartig - und mithin unverkennbar.
    So stach es unter dem knappen halben Dutzend Lastfahrzeugen heraus, die heute Morgen am Sha'ar Yafo standen, aber nicht deswegen hielten Gershom und David darauf zu. Tamir Tameyel war ihnen seit Jahren als zuverlässig und ehrlich bekannt; der Alte war vor langer Zeit aus Äthiopien ins Heilige Land gekommen, um sein Glück zu machen, und er hatte es nicht auf krummen Wegen gesucht.
    »Shalom«, grüßte Gershom Chaim den alten Mann schon im Näherkommen winkend. Er wies auf den verplanten Aufbau des Gefährts. »Was hast du heute Feines mitgebracht?«
    Tamir Tameyel, den Gershom als stets freundlich kannte und der immer einen Scherz auf den Lippen trug, schwieg und erwiderte den Gruß nur mit knapper
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