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Tod eines Eisvogels - Roman

Tod eines Eisvogels - Roman

Titel: Tod eines Eisvogels - Roman
Autoren: Aufbau
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obendrauf?«
    »Klingt gut!«, sagte Raik Maas.
    Der Junge hatte inzwischen auf einem der blauen Plastikstühle Platz genommen und betrachtete sein blutendes Knie, das aus dem zerrissenen Hosenbein hervorschaute. Das kurzgeschnittene Haar stand ihm in alle Richtungen vom Kopf ab, und wenn er die Lippen öffnete, blitzten dazwischen zwei Reihen makelloser Zähne.
    »Wir hatten ’nen kleinen Unfall, aber nichts Gravierendes«, sagte Raik Maas, der sah, dass der Mann den Jungen fixierte. »Er ist mir einfach so vors Auto gelaufen. Aber alles halb so wild.«
    »Na, ich weiß nicht«, sagte der Mann und wandte sich ab. Nachdem er eine Weile hantiert hatte, sagte er, an den Jungen gerichtet: »Möchtest du dein Sandwich nicht lieber im Krankenhaus essen?« Er hielt ihm den Teller demonstrativ hin.
    »Ich will nichts essen, bloß was trinken«, antwortete der Junge schwach.
    »Und was wird aus dem Sandwich? Soll ich das vielleicht wegwerfen?«
    Raik Maas sah zu dem Jungen hinüber, der den Kopf über sein verletztes Knie gebeugt hielt. Dann wandte er sich wieder dem Mann hinter der Theke zu und sagte: »Na, nun geben Sie schon her. Und für den Jungen was zu trinken.«
    Der Mann hatte das Sandwich in zwei gleich große Dreiecke zerteilt, und Raik Maas, dem weiß Gott nicht nach einem Schinken-Käse-Sandwich zumute war, griff sich eines und biss lustlos hinein. Anschließend nippte er an seinem Kaffee.
    »Hier, das Wasser für den Jungen«, sagte der Mann und stellte den Becher auf den verschrammten Holztisch. »Macht zusammen 9,50.«
    Raik Maas legte dem Mann einen Zehner auf die Theke und sagte: »Stimmt so!« Aus dem Stöhnen des Jungen war inzwischen ein anhaltendes Wimmern geworden.
    »Der Junge braucht Hilfe, und zwar schleunigst«,sagte der Mann. Dabei wischte er seine Hände an einem Tuch ab.
    »Nein, nein, der ist schon in Ordnung«, antwortete Raik Maas und stopfte die zu einer Kugel zerdrückte Papierserviette in seinen leeren Kaffeebecher.
    »So ein zermatschtes Knie finden Sie in Ordnung?«
    Raik Maas stieß den Jungen an und sagte: »Du bist doch okay, nicht wahr? Los, sag dem Mann, dass du okay bist!«
    »Mein Knie, mein Knie«, jammerte der Junge, ohne Raik Maas anzusehen. Der klatschte die angebissene Sandwichhälfte auf den Teller.
    »Also, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich den Jungen schleunigst zum Arzt bringen«, sagte der Wirt und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Sind Sie aber nicht«, antwortete Raik Maas. Dann stieß er den Jungen an und sagte: »Los, wir gehen!«
    »Ich kann nicht«, erwiderte der Junge und begann von neuem zu wimmern.
    »Nur bis zum Wagen, na, komm schon«, sagte Raik Maas sanft.
    »Also, ich ruf ’ jetzt einen Krankenwagen«, sagte der Imbissbesitzer und hielt bereits den Hörer des Wandtelefons in der Hand.
    »Das werden Sie nicht tun!«, rief Raik Maas. »Die Sache hier geht Sie überhaupt nichts an.«
    »He, he«, sagte der andere. »Das ist immer nochmein Laden, klar! Oder ist dir lieber, wenn ich die Polizei rufe?« Im selben Moment machte der Junge Anstalten, sich zu erheben.
    »Na, sehen Sie«, sagte Raik Maas. »Wir kommen gut ohne Arzt zurecht, nicht wahr?« Dabei griff er dem Jungen unter die Arme und half ihm aufzustehen. Dann schob er den Jungen nach draußen und murmelte kurz und trocken: »Idiot!«
    »Ich glaube, mir wird schlecht«, hauchte der Junge, während Raik Maas ihm half, in den Wagen einzusteigen.
    Raik Maas ließ den Motor an. »Kotz mir bloß nicht in den Wagen.« Er schaltete die Wischer ein, denn es hatte angefangen zu regnen. »Ich bring’ dich zu einem Arzt, wir fahren jetzt ins Krankenhaus.«
    »Aber haben Sie nicht gesagt, dass das nicht geht? Ich meine, wegen Ihres Führerscheins oder halt, nein, weil Sie keinen haben, ja, so rum«, sagte der Junge.
    »Egal. Wir fahren jetzt ins Krankenhaus«, sagte Raik Maas wieder.
    »Ja, wir fahren jetzt ins Krankenhaus«, wiederholte der Junge und sank auf seinem Sitz zusammen.
     
    Nach kurzer Fahrt sah Raik Maas eine Frau am Straßenrand stehen. Raik Maas hielt an. Die Frau ging auf den Wagen zu, machte die Tür auf und sagte: »Können Sie mich mitnehmen?«
    »Wo soll’s denn hingehen?«, fragte Raik Maas. Die feuchte Nachtluft strömte in den Wagen.
    »Ganz egal«, sagte die Frau.
    Raik Maas blickte an ihr vorbei in den strömenden Regen. »Also von mir aus, dann steigen Sie ein.« Aus der Handtasche der Frau schauten Kleidungsstücke hervor. Der Zipfel eines Pullovers, die Träger eines
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