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Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition)
Autoren: Martin Gohlke
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2010  I
     
     
    Alles war bestens vorbereitet und man hatte es sich etwas kosten lassen. Das Restaurant „Am Rathaus“ galt als eines der traditionsreichsten der Stadt, die Anzahl der silbernen Gedecke betrug 118 und das ebenfalls in silbern geschmückte Podest deutete mit einer Vielzahl von Musikinstrumenten auf den Auftritt einer Band hin, die jeden Geschmack erfolgreich zu bedienen versprach.
    Neben dem Geschirr und der Bühne waren auch die Papierschlangen, die von den Kronleuchtern hingen, silbern koloriert. Die Farbe passte zum Anlass des Festes. Eine Silberhochzeit stand vor der Tür.
    Eine solche Hochzeit begeht man bekanntlich nach 25 Jahren. So war es erstaunlich, dass an mehreren Wänden sowie über dem breiten Türeingang in großen Ziffern die Zahl 165 angebracht war. An einer Wand stand vor dieser Nummer mit 156 eine weitere Ziffernkombination. Sie war fett durchgestrichen.
    „Silberhochzeit feiert man nur einmal“, hatte Manfred gegenüber seiner Frau Ilona die Anmietung nicht nur eines der ältesten, sondern auch teuersten Saales von Neuenkirchburg begründet, eine Äußerung, die zwar in der Regel stimmte, aber eben nicht immer. Manche Menschen feiern sehr wohl den 25. Jahrestag des Eheschlusses zweimal. Und beinahe wäre es Ilona auch einmal so gegangen. Viereinhalb Jahre hatte es bei ihr damals noch gedauert, bis es soweit gewesen wäre. Lang ist es her.
    Nun war sie seit 25 Jahren glücklich mit ihrem Mann Manfred. Außenstehende hätten Ilonas und Manfreds Verbindung möglicherweise als eine Art Musterehe gesehen. Dabei wies ihr Zusammenleben eine Besonderheit auf, die ein aufmerksamer Beobachter als bemerkenswert empfunden hätte. Ging sich das Ehepaar mal für eine gewisse Zeit aus dem Weg, so achteten beide Seiten darauf, dass man regelmäßig miteinander telefonierte. Nicht, dass das für die Aufnahme eines Gesprächs notwendig gewesen wäre. Schließlich lebte man in demselben Haus und eine Unterhaltung hätte somit bequem in den gemeinsamen Räumlichkeiten durchgeführt werden können. Aber Ilona und Manfred griffen gern auf diese Art des Kontakts zurück, der ihrem Verständnis eines gelungenen Verhältnisses von Nähe und Distanz bestens entsprechen konnte. Über ein Haustelefon sprachen sie dann von ihren Zimmern aus miteinander. Gelegentlich stundenlang. Ganz nebenbei erwies sich der so geführte Austausch auch als geeignete Methode, den Wunsch nach körperlicher Nähe wach zu halten. So kam es vor, dass das Telefonieren irgendwann in einen direkten Kontakt in Ilonas oder Manfreds Zimmer mündete.
    Ilona sollte es noch bedauern, dass sie bei einem Kaffeekränzchen mit ihrer Freundin Elisabeth einmal über diese Gewohnheit geplaudert hatte. Elisabeth fand dieses „Telefonieren aus Leidenschaft“, wie sie es gewollt missverständlich ausdrückte, „komisch und seltsam“.
    Dass bei Elisabeth der Neid eine größere Bedeutung im Gefühlsleben einnahm, passte so gar nicht zu den Zügen, die Ilona selbst zu eigen waren. Warum sich Ilona mit einer Frau umgab, die seit Jahrzehnten ohnmächtig vor einer gescheiterten Beziehung stand und öfter mal gegen Ilona stichelte, war Manfred schon immer ein Rätsel gewesen. „Warum umgibst du dich mit jemanden, der zu klein für dich ist?“, hatte er einmal gefragt. Ilona antwortete nur kurz, dass Elisabeth auch wertvolle Wesenszüge hat. „Muss ja wohl“, nahm Manfred auf, „aber ich sehe nur ihre Engstirnigkeit. Wie hältst du das bloß aus?“
    Später, als Manfred mehr über seine Frau wusste, hielt er sich mit solchen Äußerungen zurück. Sie könnte, so sagte sie einmal zu ihrem Mann in einer Sprache, die eigentlich gar nicht zu ihr passte, „nicht gut loslassen.“ Sodann hatte sie noch hinzugefügt: „Das war bei mir schon immer so“, wobei sie sich nach einem kurzen Stirnrunzeln postwendend korrigierte: „Jedenfalls fast immer. Und das ist ein Problem, an dem ich mich genauso klein zeige wie Elisabeth.“
    Dass es Probleme gibt, mit denen man sein ganzes Leben zu tun haben kann, wusste Manfred aus eigener Erfahrung. Und dass eine Schwierigkeit, die von Außenstehenden mitunter als geringfügig angesehen und nur schwer als ein Leiden begriffen wird, für einen selbst sehr wohl ein großes Erschwernis darstellen kann, war für Manfred aufgrund seiner eigenen Geschichte ebenfalls gut nachvollziehbar.
    Denn seit seiner frühen Kindheit begleitete ihn eine Einschränkung, die neuerdings sogar die Wahl seiner Anfangsworte beim
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