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Tod den Unsterblichen

Tod den Unsterblichen

Titel: Tod den Unsterblichen
Autoren: Frederik Pohl
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verdarb ihnen die Freude. Der Römer führte gerade den heiklen Balanceakt einer Feder auf einer Seifenblase vor (er war der stärkste von ihnen; es war schwer, stoffliche Gegenstände mit dem Verstand zu bewegen, aber mit dem Alter wurde das möglich).
    Aber die Angst sagte: Wir haben sie verloren. Sie können überall sein. (Die Seifenblase platzte.) Die Angst sagte: Sogar wenn wir fliehen, sind sie nicht dumm; sie können das Haus durchsuchen und unsere Medizin finden. Und dann – also dann! Dann können sie der Seuche, die nur ein paar Todesopfer gefordert hat, ein Ende machen, dann werden etwa fünf Milliarden Menschen uns fünfundsiebzig suchen! (Die Feder schwebte zu Boden. Die Unsterblichen schauten ihn an.) Es tut mir leid.
    »Was heißt hier leid, du verdammter alter Narr!« rief Senhora Sant’ Anna, und gereizt stellte sie sich ihn in einer höchst peinlichen Situation vor. Der Römer übernahm das Bild und fügte noch etwas Pikanterie aus dem 3. Jahrhundert hinzu.
    Aber angenommen, sie dringen bis hierher vor, schluchzte Dane.
    »Geh«, sagte St. Cyr, der so wütend war, daß er laut sprach, mit seiner Tick-Tack-Stimme: »und zer-stör das Se-rum! Verdirb uns nicht den Tag!«
    Unwillig ging Dane, und seine murmelnde Besorgnis wurde durch die Entfernung in ihrem Verstand immer schwächer. Plötzlich verstummte sie ganz, und fröhlich wandten sich die Unsterblichen wieder ihrem Vergnügen zu … Auch für Dane verstummte sie ganz.
    Er suchte gerade im Vestibül des Erdgeschosses einen der sudanesischen Diener, als er hinter sich ein Geräusch hörte. Er wollte sich umdrehen. Aber er war fett und, trotz allem, sehr alt.
    Der Hieb traf ihn, und er sank wie eine mit Speck gefüllte Schweinsblase zu Boden. Er war sich nur undeutlich der Hände bewußt, die ihn herumwälzten, und des beißenden Geschmacks von etwas – war es Schnaps? Aber er trank doch nie Schnaps! –, das sie ihm gewaltsam einflößten.
    »Wir haben einen«, sagte einer der Hubschrauberpolizisten leicht torkelnd mit schwerer Zunge.
    Senator Dane wußte es nicht, aber ein Dutzend Gestalten taumelten um ihn herum und weitere drangen ein. Als er allmählich das Bewußtsein wiedererlangte, wußte er es, aber da war es schon zu spät. Es war so still. Die Stimmen in seinem Verstand waren verstummt!
    Der Alkohol errichtete eine Schranke. Er machte ihn taub, blind, hilflos. Dane hatte nur Augen und Mund und Ohren, und für jemanden, dessen ganzes Leben von Gedankenblitzen erleuchtet wurde, ist das gleichbedeutend mit Blindheit. Er brach in Schluchzen aus.
     
    Cornut kam an der Küche vorbei, in der die Diener unter Bewachung hockten und Senator Dane am Boden lag, und eilte hinter den Polizisten her. Er hörte Schüsse, und vor Panik wurde ihm übel. Das war der Augenblick der Wahrheit; in wenigen Sekunden würde die Welt ihr Gesicht für immer verändern, eine weidende Herde, von deren Fülle sich die Unsterblichen mästeten oder ein Tumult führerloser Milliarden – Nein, Nicht er hatte das gedacht! Und im Nu versetzte er sich in einen anderen Verstand; St. Cyrs exzentrischer Zorn war so weit und stark in ihn eingedrungen, daß nicht einmal Kampf und Alkohol ihn ganz zu unterdrücken vermochten; was er empfunden hatte, war das, was St. Cyr empfand.
    Cornut rannte los. Es war so, als wäre er an zwei Orten zugleich; er sah die Polizei schießend hereinstürzen, und er rannte hinter ihnen her.
    Die Unsterblichen wehrten sich, so gut sie konnten, aber ihre Waffen taugten nichts mehr. Sie glichen Milliardären, die versuchen, sich von einem angreifenden Nashorn freizukaufen, oder einem Hitler, der versucht, ein Erdbeben seinem Willen Untertan zu machen. Sie konnten sich gegen diese nackte Gewalt nicht behaupten, sie konnten nur sterben oder sich gefangennehmen lassen; und die dumpfe Wut in ihrem Verstand war wie ein Schrei oder wie Gestank.
    Cornut fing einen letzten klaren Gedanken von St. Cyr auf: Wir unterliegen. Es folgte sonst keiner mehr. St. Cyr war tot; und um ihn herum überwältigte die Polizei die Überlebenden.
     

18
     
    Auf dem Rückweg verlor Cornut die Besinnung und schlief stundenlang seinen Rausch aus. Rhame ließ ihn schlafen. Jetzt war Zeit für alles vorhanden, sogar für den Schlaf. Die Mediziner stellten bereits auf Grund der wiedergefundenen Archivtonbänder den Impfstoff her; hundert Liter Serum wurde unter die bereits Kranken verteilt. Die aufgebrachte Menge beruhigte sich – es bedurfte nur der Hoffnung, damit sich
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