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Tod den Unsterblichen

Tod den Unsterblichen

Titel: Tod den Unsterblichen
Autoren: Frederik Pohl
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finden – obwohl Masatura-sans Sinn ungeheuer klar gewesen war und es möglicherweise irgendwo ein Leck gegeben hatte, und – nein. St. Cyr hatte persönlich Masatura-sans Stamm für die Aufgabe der Ausrottung ausgesucht. Niemand konnte irgend etwas vor St. Cyr geheimhalten. Und der Ort war so gut wie unauffindbar.
    So gut wie. Es war früher ein Hotel gewesen, das solchen als Zufluchtsort diente, die die Öffentlichkeit meiden mußten; sie hatten es von einem Gangster erworben, der es seinerzeit von seinen (mehr oder weniger) legalen Erbauern erworben hatte. Der Gangster war lästig gewesen, so daß der Unsterbliche, der ihn tötete, sich recht ehrenhaft vorkam, denn er ermordete einen Mörder.
    Keine Straßen führten mehr zu dem Hotel, und es gab keine andere Behausung im Umkreis von zwanzig Meilen. Das war kostspielig gewesen, aber die Unsterblichen wußten seit einem halben Jahrhundert, daß dieser Sturm sich zusammenbraute, und hohe Ausgaben hatten sie bei keinem ihrer Pläne gescheut. Es waren Zimmer für alle vorhanden, fünfundsiebzig Unsterbliche aus der ganzen Welt, »Kinder« von Sechzig oder Fünfundsechzig, der älteste von allen ein Mann, der zu Caligulas Regierungszeit geboren wurde. (Es gab, wegen des geringen Beitrags des öffentlichen Gesundheitsdienstes zu ihrer Lebensdauer, nur sehr wenige, die vor dem 20. Jahrhundert geboren waren; aber diese wenigen schienen nicht gewillt zu sein, je zu sterben.) Es gab Frauen, die es durch wiederholte Schönheitsoperationen fertiggebracht hatten, zumindest von weitem ein jugendliches Aussehen zu bewahren. Es gab offensichtlich alte, wie St. Cyr mit seiner Zyanose und seinen Narben, der untersetzte alte Römer mit seinen großen, immer wieder auftretenden Keloiden, der kahlköpfige dicke Schwarze, der als Sklave auf den Landgütern des königlichen Gouverneurs von Virginia geboren wurde. Weder Hautfarbe, Rasse noch Alter spielten bei ihnen eine Rolle; nur die Macht zählte. Sie waren die Stärksten auf der Welt, was sie bewiesen, indem sie die Schwachen töteten.
    Sie waren freilich Feiglinge. Wie Wildgänse zogen sie in bessere Klimate, zu Beginn des 20. Jahrhunderts weg von Europa, während der Atombombenversuche in den neunzehnhundertfünfziger Jahren weg vom Pazifik. Sie verließen den Mittleren Osten längst vor den arabisch-israelischen Zusammenstößen, und keiner von ihnen hatte seit der Zeit der Kaiserin-Witwe China besucht. Keiner hatte ein Erdbeben oder einen Vulkanausbruch aus der Nähe mit angesehen – jedenfalls nicht, nachdem sie erkannt hatten, was sie waren; und jeder von ihnen hatte sich in seinem ganzen verlängerten Leben mit Schutzwällen und Leibwächtern umgeben. Sie waren Feiglinge. Sie besaßen den Geiz der Steinreichen. Es gab Rückschläge in ihrem Leben, aber nie hart genug, um zu sterben.
    In dem großen Hotel, dessen Personal aus vor einem Jahrzehnt eingeflogenen Sudanesen bestand, ohne jegliche Verbindung mit der Umwelt und durch eine völlig fremde Sprache gegen einen zufälligen Kontakt mit einem Wanderer gefeit, waren die Unsterblichen darauf eingerichtet, das Ende der Seuche abzuwarten. Senator Dane lief jovial, aber etwas besorgt, zwischen ihnen herum. Er irritierte sie. Der Unterton der Besorgnis war für sie wie ein ständiges lästiges Gemurmel. Sie schimpften ihn deswegen aus, mit Wörtern aus fünfzig Sprachen (sie beherrschten sie alle) oder mit Gedanken, Gesten oder Tönen. Aber er steckte sie alle an.
    Angst ist etwas Relatives. Ein Mann, der verhungert, hat keine Angst, daß ein plötzlicher früher Frost die Ernte vernichtet. Dafür ist es zu spät; er kann sich nur Sorgen über das Nächstliegende machen. Ein gutgenährter Mann kann sich Jahre voraus Sorgen machen.
    Die Unsterblichen konnten sich ein ganzes Jahrhundert voraus Sorgen machen. Sie waren die Rockefellers des Lebens, die den Kurzlebigen Stunden und Tage wie Almosen gaben; sie sahen weit in die Zukunft, und jeder ferne Kieselstein auf ihrem Weg war ein Berg. Danes Sorge war klein und entlegen, aber es war eine Sorge. Angenommen, murmelte die Angst hinter seiner heiteren Maske, sie finden unseren hiesigen Zufluchtsort. Gewiß, sie können uns nicht viel anhaben – wir können sie durch ihren Verstand vernichten, wie wir es immer getan haben –, aber es ist ein Ärgernis. Wir hätten den Wunsch zu fliehen. Das hier ist zwar unser bester Zufluchtsort, aber wir haben noch andere.
    Sei still, dachten (oder sagten oder gestikulierten) die anderen. Er
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