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Tod Auf Der Warteliste

Tod Auf Der Warteliste

Titel: Tod Auf Der Warteliste
Autoren: Veit Heinichen
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helfen, kannst du mich gegen achtzehn Uhr abholen.«
    Laurenti fragte sich, was Galvano da unten wohl noch tun würde. Vielleicht sprach er ein letztes Mal mit den wenigen Leichen, die in den Kühlfächern auf ihre Bestattung warteten und ab morgen Eigentum seines Nachfolgers werden würden. Vielleicht hielt er noch eine Weile ihre kalten Händchen und küßte sie zum Abschied auf die Stirn, wer weiß. Dem Alten war alles zuzutrauen.
    Doch Laurenti machte sich vor allem Sorgen: Was würde Galvano anstellen, wenn er nicht mehr arbeitete? Als er noch draußen an der Küste wohnte, hatte er zumindest einen freien Blick aufs Meer und einen riesigen Garten, den er genießen konnte. Doch inzwischen lebte er in der Stadt. Laurenti fürchtete einen schnellen Verfall, wie er es oft bei alten Leuten beobachtet hatte, die plötzlich ohne Anker dastanden und nicht mehr wußten, woran sie sich festhalten konnten. Nicht nur die Alten, berichtigte er sich. Auf jeden Fall würden er und seine Frau sich vermehrt um Galvano kümmern müssen, was auch nicht die reine Freude war.
     

Silikon, Kollagen, Botox, Eigenfett
    »Jeder will mehr Geld, Avvocato. Das ist nichts Neues. Und jeder hat seine Methoden, daran zu kommen«, sagte Adalgisa Morena, die Hauptaktionärin der Klinik »La Salvia«. »Für uns ist es kein Problem, die ganze Klinik für die plastische Chirurgie zu nutzen. Der Markt ist gigantisch. Die Methoden werden immer ausgefeilter, und die Versuche mit den neuen Materialien sind vielversprechend. Wir haben inzwischen einen so guten Ruf, daß wir ohnehin bald anbauen müßten, weil die Warteliste immer länger wird. Und risikofreier ist es auch.« Sie saß leicht vornübergebeugt in dem schwarzen Ledersessel und lächelte freundlich. Ihr Blick streifte über den Mann hinweg, dessen schütteres angegrautes Haar von einem Sonnenstrahl beschienen war. Aber ein Heiliger war er deshalb noch lange nicht.
    »Es bleibt dabei, Adalgisa.« Romani war von ihrem Widerspruch unbeeindruckt. »Wir haben unsere Abmachungen. Ihr habt damals zugestimmt, daß sich Petrovacs Gesellschaftsanteil nach fünf Jahren erhöht. Ohne ihn gäbe es dies alles nicht und die Herren Mediziner arbeiteten noch immer an öffentlichen Krankenhäusern. Es gibt nichts zu verhandeln. Wenn ihr erweitern wollt, dann tut das. Ich helfe euch gerne, wenn es darum geht, die nötigen Leute davon zu überzeugen, die Bürokratie abzukürzen. Doch das hat nichts mit den Anteilen zu tun.«
    »So einfach ist das nicht«, widersprach Professor Ottaviano Severino, der bisher geschwiegen und seiner Frau die Verhandlung überlassen hatte. Er fand, es war Zeit, dem Anwalt deutlich zu sagen, woher der Wind wehte. Adalgisa schickte ihm dafür giftige Blicke hinüber, die er geflissentlich übersah. »Die Leistung erbringen wir. Erfahrene, hochangesehene Chirurgen und Transplanteure. Wenn wir nicht mitmachen, kann Petrovac schauen, woher er das Geld bekommt. Was glaubst du eigentlich, weshalb sich die High-Society bei uns auf die Warteliste setzen läßt? Sicher nicht wegen Petrovacs Anteilen!«
    »Willst du wirklich, daß ich ihm das so sage?« Romani legte die Stirn in Furchen und grinste. »Dann könnt ihr morgen schließen. Er hat bedeutend weniger zu verlieren als ihr. Du weißt, ich selbst habe nichts davon. Im Gegenteil, eine solche Auseinandersetzung täte mir leid, denn ihr seid gute Mandanten meiner Kanzlei. Und Petrovac auch. Aber er sitzt nun mal am längeren Hebel, das war von Anfang an klar.«
    »Und wie, mein lieber Romani, soll das gehen? Petrovac glaubt doch nicht wirklich, wir würden nach der Aufbauarbeit einfach zurückstecken? Hast du überhaupt eine Ahnung, wie hoch unsere Investitionen sind? Wenn wir nicht laufend auf dem neuesten Stand sind, verlieren wir Patienten.« Adalgisa Morena schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Drohungen«, zischte sie, »verbessern auch deine Position nicht, Romani!«
    »Ich habe damit nichts zu tun«, protestierte der Anwalt.
    »Du oder Petrovac, das ist doch einerlei«, sagte Severino und zog die Schultern zusammen, als wäre ihm kalt.
    »Immer diese Vorurteile! Ich bin nur euer Vermittler.«
    »Paß auf, Romani, und du, Ottaviano, schweig«, sagte Adalgisa Morena, als sie sah, daß ihr Mann Luft holte. Sie schlug die Beine übereinander und lehnte sich mit einem gefährlichen Lächeln im Sessel zurück. »Das größere Risiko tragen letztlich wir. Petrovacs bisheriger Anteil deckt nicht nur seine Kosten für die
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