Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod Auf Der Warteliste

Tod Auf Der Warteliste

Titel: Tod Auf Der Warteliste
Autoren: Veit Heinichen
Vom Netzwerk:
unüblich. Sie ist eine von denen, die früh damit anfangen, so bleiben zu wollen, wie sie sind. Das dachte ich jedenfalls und beschrieb ihm Behandlungsmethoden, Haus, Service, Kosten und so weiter. Bevor er ging, fragte er nach den schriftlichen Lebensläufen der Ärzte, die ich ihm natürlich nicht gab. Aber ich erzählte ihm etwas ausführlicher über uns. Er bedankte sich höflich und sagte, er wolle es sich überlegen. Nach einigen Tagen meldete er sich tatsächlich wieder und bat darum, das Gelände besichtigen zu dürfen. Ich lehnte ab, mit dem Hinweis auf die Diskretion, die wir unseren Patienten garantieren, und verwies ihn auf den virtuellen Rundgang auf unserer Web Site. Er schien das zu akzeptieren und ließ sich nicht mehr blicken. Seltsam ist nur, daß sich Leo seit damals verfolgt fühlt.«
    »Es ist jedesmal ein anderer Wagen«, sagte Leo Lestizza. »Und obwohl der Fahrer versuchte, genügend Abstand zu halten, fiel er mir auf. Die beiden letzten Male konnte ich die Kennzeichen notieren.«
    »Gestohlen oder Leihwagen«, sagte Romani. »Das haben wir schnell raus. Aber warum sollte dich jemand verfolgen?«
    »Das ist es eben. Ich weiß es nicht.«
    »Journalist, sagtest du?«
    Adalgisa nickte.
    »Ich kümmere mich darum. Macht euch keine Sorgen. Im schlimmsten Fall kostet es ein paar Dollar, jemanden loszuwerden. Petrovac wird helfen, wenn es sein muß. Aber seid die nächste Zeit besonders wachsam. Vielleicht solltet ihr sogar eine kleine Pause einlegen.«
    »Erzähl das Petrovac«, sagte Professor Severino und erntete einen vernichtenden Blick seiner Frau.
     
    »La Salvia« war eine weit über die Grenzen hinaus bekannte Privatklinik, die vor fünf Jahren mit zahlreichen steuerlichen Abschlägen und einigen Kompromissen in bezug auf Bebauungsplan und Naturschutzgesetz auf dem Karst gebaut worden war. Es ging um neue Arbeitsplätze. Romani ließ seine Kontakte spielen und übergab den einen oder anderen gutgefüllten Briefumschlag, um die Entscheidungen zu beschleunigen. Aber auch die drei Inhaber hatten beste politische Beziehungen und waren angesehene Bürger der Stadt. Ihre Namen standen jedes Jahr auf vorderen Plätzen der in der Presse veröffentlichten Liste der regionalen Höchstverdiener. Adalgisa Morena war eine mit allen Wassern gewaschene Unternehmerin und hatte eine unbezähmbare Leidenschaft für zeitgenössische Kunst. Ihre Sammlung zierte fast alle Räume der Klinik, insbesondere die Fotografie und die jüngeren Maler hatten es ihr angetan. Soeben hatte sie »Paradies« des in Berlin lebenden Argentiniers Miguel Rothschild erstanden, weil sie den Titel so passend fand. Ob die Patienten die Werke mochten, interessierte sie nicht. Ihr Mann, Professor Ottaviano Severino, besaß fünfzehn Rennpferde, von denen das eine oder andere sogar auf den internationalen Rennen in Baden-Baden, Clignancourt und Ascot lief. Und der dauergebräunte Leo Lestizza war ein hervorragender Chirurg mit Nerven wie Drahtseile, von dem niemand wußte, wie er seine Freizeit verbrachte, obwohl er öfter ankündigte, für ein paar Tage zu verreisen.
    Die Patienten von »La Salvia« wurden Kunden genannt und kamen vorwiegend aus Italien, Österreich, Deutschland und der Schweiz, um ein paar Korrekturen an ihren von den Jahren gezeichneten Körpern vornehmen zu lassen. Silikonpölsterchen in Brüsten und Lippen, glattgezogene Gesichtshaut, abgesaugtes Fett, aber auch die komplette Überholung des Beißapparats unter Vollnarkose gehörten zum Standardprogramm des international besetzten Ärzteteams. Und selbst Glatzen wurden durch Haartransplantationen wieder ansehnlich gemacht.
    Natürlich gehörte es zum ehernen Gesetz der Klinik, die illustren Gäste vor der Öffentlichkeit hermetisch abzuschirmen und ihre Namen nicht preiszugeben. Wenn sie nicht mit dem eigenen Wagen anreisten, wurden sie am Flughafen von einer Luxuslimousine mit dunkel getönten Scheiben abgeholt, hinter der sich eine Viertelstunde später die schwere Stahltür schloß, die das Klinikgelände vor unerwünschten Blicken schützte. Vor einem Nebeneingang des dreistöckigen Hauptgebäudes wurde der Gast abgesetzt und direkt in das Empfangszimmer geführt. Nicht einmal die anderen Patienten konnten den Neuankömmling sehen, wenn ihm daran gelegen war. Diskretion war die Voraussetzung für glänzende Geschäfte. Die wenigsten der Patienten verließen je das Gelände und sahen nichts von dem kaum zehn Minuten Fußweg entfernten, idyllischen Dorf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher