Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pfefferbeißer - Harz Krimi

Pfefferbeißer - Harz Krimi

Titel: Pfefferbeißer - Harz Krimi
Autoren: emons Verlag
Vom Netzwerk:
Prolog
    Antonio Foresta war allein im Lokal, doch die Geräusche,
die ihn vom späten Vormittag bis in den Abend hinein umgaben, hingen noch im
Raum: das Stimmengewirr und Lachen der Gäste, das silbrige Klingen der Gläser,
wenn sie gegeneinanderstießen, das Geklapper und Klirren von Geschirr und
Besteck beim Abräumen. Allmählich verflüchtigten sie sich jedoch zusammen mit
den Gerüchen von eingelegten Meeresfrüchten und geröstetem Teig durch die weit
geöffnete Tür des kleinen Ristorante hinaus in die Nacht.
    Es war zehn vor zwölf. Foresta hatte die Küche schon vor mehr als
einer Stunde geschlossen. Ab halb elf Uhr war meistens nichts mehr los.
Vielleicht am Wochenende, aber nicht an einem Mittwoch. Während er aus dem hell
erleuchteten Lokal in die Schwärze starrte, spürte er die hereinkriechende
Kälte. Tagsüber war es so heiß wie im Sommer, aber abends merkte man, dass es
erst Anfang Mai war.
    Foresta saß an einem der Tische in der Nähe der Theke, neben sich
eine entkorkte Flasche und vor sich ein Glas Rosso, das er soeben bis zur
Hälfte gefüllt hatte. Er probierte die Lieferung aus der Heimat, die am Morgen
gekommen war. Dafür nahm er sich Zeit, stellte sich die Landschaft aus
vulkanischen Bergen und grünen Gärten vor, die sengende Sonne über den kargen
alten Häusern mit schattigen Innenhöfen, und glaubte, das alles auf der Zunge
schmecken zu können.
    Was für ein Wein! Den gab es nur auf Sizilien. Und nur wer Sizilianer
war, konnte ihn verstehen. Wein musste man verstehen, sonst war er
verschwendet, davon war Antonio Foresta überzeugt. Deshalb trank er meistens
allein, spät am Abend, an der Schwelle zur Nacht, wenn er Muße hatte und dem
Tag nachhörte. Stolz hielt er sein Glas gegen die Deckenlampe und erfreute sich
an der schimmernd roten Farbe seines Inhalts, als blickte er in einen Rubin.
    Plötzlich stand ein Mann im Türrahmen. Gut sitzender dunkler Anzug,
keine Stangenware, das sah man gleich, glänzend gewienerte schwarze Schuhe aus
feinem Leder, mindestens dreihundert Euro das Paar. Foresta kannte diesen Blick
aus den eigenartig geweiteten Augen, der ihn jetzt traf. Als hätte der Mann
Torturen durchgemacht, und in gewisser Weise stimmte das ja auch.
    Obwohl er die Antwort wusste, fragte er: »Helmut, wo kommst du denn
her?«
    Der Mann schritt auf ihn zu, griff sich einen Stuhl und setzte sich
ihm gegenüber an den Tisch.
    »Gib mir was zu trinken, Antonio.«
    Er sprach schwer, lallte aber noch nicht. Foresta griff zu einem der
bauchigen Gläser, mit denen die neun Tische bereits für die morgigen Gäste
eingedeckt waren, und goss ein.
    »Ich werde doch meinen Helmut nicht verdursten lassen«, sagte er
beinahe zärtlich.
    Helmut hob grinsend das Glas. »Prost, du alter Gauner!«
    »Salute, mio Helmut, salute!«, antwortete Foresta und stieß mit ihm
an. »Warum bist du schon wieder hier?«, fragte er freundlich lächelnd.
    »Alte Freunde kann man nicht oft genug sehen«, spöttelte Helmut.
    »Du bist mir immer willkommen.« Foresta spürte mit der Zunge dem
Aroma des Weines nach. Helmut fingerte eine Schachtel Filterlose aus dem Anzug,
stand auf und wollte anscheinend vor der Tür rauchen.
    »Bleib sitzen«, sagte Foresta. Müde vom Tag erhob er sich etwas
schwerfällig, holte einen Aschenbecher aus poliertem Onyx hinter dem Tresen
hervor und stellte ihn vor Helmut hin. Dann setzte er sich wieder zu seinem
Wein. Doch der Ausdruck in seinem Gesicht mit den dichten schwarzen
Bartstoppeln und den breiten Augenbrauen hatte sich verändert. Die Augen
funkelten, der Mund war hart. Er beugte sich leicht vor.
    »Was willst du schon wieder hier?«, zischte er, jedes Wort betonend.
    »Wieso fragst du? Das kannst du dir doch denken.« Helmut versuchte
lässig zu bleiben. Doch seine Stimme zitterte leicht.
    Natürlich konnte Foresta sich das denken: Das Arschloch hatte dem
Casino in Bad Harzburg wieder einmal einen Besuch abgestattet und war pleite.
    »So kann das nicht weitergehen, Helmut.«
    »Was heißt das? Das machst du doch mit links!«
    Helmuts Gesicht lief gefährlich rot an. Er lockerte seinen
Krawattenknoten und riss am oberen Hemdsknopf. Dann schüttete er mit zittrigen
Händen den Rest Rosso in sich hinein, packte die Flasche am Hals und füllte
sich das Glas fast bis zum Anschlag nach. Einige gierige Schlucke, und er
schien sich wieder im Griff zu haben.
    Foresta vermied es, ihm in die Augen zu sehen, suchte stoisch die
Tischdecke nach nicht vorhandenen Flecken ab. Er ahnte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher