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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil
Autoren: Anton Gill
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davon abbringen. Ich habe Wichtigeres für ihn zu tun. Es ist noch Zeit für mich, zu sterben. Ich werde den Semiten die Lehre von Aton bringen.«

    Der folgende Tag war der längste in Huys Leben. Endlos debattierte er mit Surere über das Reich Echnatons; wieder und wieder erörterten sie die letzten Tage vor dessen Untergang, den Wahnsinn am Ende, die mutwilligen Opfer. Surere schwelgte in sentimentalen Erinnerungen an seinen letzten Geliebten, den freigelassenen Sklaven Amenenopet, diesen fröhlichen jungen Mann von irgendwo jenseits des Großen Grünen, mit der hellen Haut und dem blonden
    Lockenhaar. Wie hatte die Sonne ihm anfangs zugesetzt! Wußte Huy, was aus ihm geworden war? Wie lange er gebraucht hatte, um sich an seinen Namen im Schwarzen Land zu gewöhnen! Und sein Lächeln - wie Glockenklang in einem fremden Land. Als die Unterhaltung verebbte, holte Surere einen Kasten Senet hervor, und sie spielten, bis die Sonne unterging, und beide spürten, wie ihre Spannung wuchs, als die Schatten länger wurden. Sie hatten beide nicht gegessen, und Surere hatte nicht vom Essen gesprochen. Zu trinken gab es nur Wasser. Huy spürte das Bedürfnis nach Brot und Wein, aber er wußte, daß der Verzicht darauf seine Sinne schärfen würde.
    Es war ihm gelungen, Anspielungen in ihre Unterhaltung einzuflechten, Anspielungen auf den Tod Merymoses und des babylonischen Mädchens, aber so verschleierte, daß Surere gar nicht darauf reagieren würde, wenn er nicht Kenntnis davon hätte und wüßte, was mit den beiden geschehen war.
    Das stundenlange Warten, die gestelzte Konversation, die Anspannung des herannahenden Abends - das alles forderte indessen seinen Tribut von Huy. Im Gegensatz dazu zeigte Surere sich heiter. Er sprach ständig von dem Trost, den ihm Huys Anwesenheit spendete, und von der Freude, die es ihm machen würde, ihn dem König vorzustellen.
    »Aber ich glaube, es wäre am besten, wenn du dich anfangs im Hintergrund hieltest«, sagte er. »Ich werde dich vorstellen, wenn der rechte Augenblick gekommen ist.«
    Dies bestätigte Huy, daß sie keinen König treffen würden. Er fühlte die Messerklinge unter dem Kilt an seinem Schenkel. Morgen würde er Ipuky berichten, was er glaubte. Ipuky würde es Kenamun sagen, und Kenamun hätte seinen Mörder. Und dann würde Huy vielleicht erfahren, was mit Merymose und dem babylonischen Mädchen passiert war, und wie ihr Tod sich in das bizarre Mosaik fügte, zu dem er jetzt zwei weitere verwirrende Steinchen gefunden hatte.
    Endlich stand Surere auf, so abrupt, daß er Huy damit überraschte. Plötzlich kamen ihm all die Stunden des Wartens zu kurz vor. Die Erschöpfung mußte beiseite gedrängt werden. Huy spritzte sich Wasser ins Gesicht und schüttelte seinen Kilt aus.
    »Ich bin soweit«, sagte er.
    Surere hatte seine beiden Kisten versteckt, hatte sie auf so achtlose Weise unters Bett geschoben, die nicht zu ihm paßte, die aber darauf hindeutete, daß sein Herz bereits mit anderen Dingen beschäftigt war und sich nicht mehr um den politischen Sprengstoff scherte, den diese Kisten beinhalteten. Schweigend traten sie durch die Tür auf die Straße hinaus. Sie lag still und dunkel da. Der Mond schien nicht, aber am Himmel funkelten die Millionen Sterne, die alten unsterblichen, die schon vor den Göttern selbst dagewesen waren und auf das Schwarze Land herabgeblickt hatten, bevor die Menschen, die Erfinder der Götter, auf Erden wandelten. Aus welchem merkwürdigen Tier sind wir hervorgekrochen? dachte Huy und folgte Sureres schmalem Rücken, als dieser vor ihm durch die Straßen zum Kai hinunterging.
    Von einer Handvoll Wächtern abgesehen, die über die beladenen Boote verstreut waren, war niemand unterwegs. Surere wandte sich nach Norden und ging am Flußufer entlang bis zu einem kleinen Holzsteg mit einer Leiter am Ende, an deren Fuß ein kleines Fährboot lag. Sie kletterten an Bord, und Surere stieß ab und manövrierte das kleine Boot mit geübter, leichter Hand in den Strom hinaus. Am Westufer angekommen, machten sie längsseits an einer der großen Arbeiterbarken fest, auf denen die Steinhauer- und Gräberkolonnen transportiert wurden, die unablässig an den Gräbern der Großen arbeiteten, deren Eingänge die Felswände des Tales durchlöcherten. Über das Schiff hinweg kletterten sie an Land. Über ihnen, in südlicher Richtung, blinkten zwei oder drei kleine Lichter aus den Zelten, in denen einige der Arbeiter die Nacht verbrachten. Huy und Surere
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