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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil
Autoren: Anton Gill
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gingen geradewegs landeinwärts, ehe sie sich wieder nach Norden wandten. Inzwischen wußte Huy, wohin sie gingen, und er war nicht überrascht. Nofretetes Grabkammer lag nur ein paar hundert Schritte weit vor ihnen.
    »Hierher komme ich, seit ich in die Südliche Hauptstadt zurückgekehrt bin«, erzählte Surere. »Man hat ihr Grab auf grausamste Weise vernachlässigt. Ich habe getan, was ich konnte, um es vom Müll zu befreien, aber es ist zuviel Arbeit für einen einzelnen Mann.«
    »Wann ist der König dir zum ersten Mal erschienen!«
    »Das war bei meinem dritten Besuch hier. Ich glaube allerdings, daß er selbst schon lange herkommt - vielleicht seit seinem eigenen Tod. Er hat sie über die Maßen geliebt, weißt du.«
    Die Kartusche, in der Nofretetes Name stand, war sorgfältig gereinigt, der Eingang teilweise von Sand und Gestrüpp befreit worden; aber selbst im Zwielicht sah Huy, daß die Malereien verwittert und stumpf waren; die ganze Anlage war von einer traurigen, verlassenen Atmosphäre erfüllt. Die Eingangstüren waren aufgebrochen, zweifellos durch Grabräuber, die in der Periode der Anarchie, wie sie im letzten Jahr von Echnatons Regentschaft geherrscht hatte, frech geworden waren.
    Als sie bis auf zehn Schritte herangekommen waren, deutete Surere auf einen großen Felsbrocken neben dem beinahe verwehten Pfad, der zum Grab führte. Huy hockte sich dahinter, und der treue Diener näherte sich allein der Ruhestätte seiner angebeteten Königin. Surere hatte weißes Brot als Opfergabe mitgebracht. Er legte es ehrfürchtig auf einen Kupferteller, der auf einem kleinen Steintisch vor dem Eingang lag. Dann zündete er daneben eine tönerne Öllampe an, kniete mit gesenktem Kopf nieder und wartete. Huy sah von seinem Versteck aus zu, sein Nackenhaar sträubte sich.
    Und der König erschien. Huy sah nicht, woher er kam; plötzlich stand er vor Surere, halb im Schatten des Grabes. Obwohl er ein langes Gewand trug und sein Gesicht auch nicht deutlich zu sehen war, konnte man doch den dicken Bauch und die breiten, weiblichen Hüften und Schenkel nicht verkennen. Huy bekam eine trockene Kehle, und er betete, daß Surere ihn nicht hervorrufen möge, um ihn dem Geist vorzustellen.
    An die Stimme des toten Königs konnte Huy sich nicht genau erinnern, denn er hatte sie nur drei- oder viermal gehört. Als er jetzt sprach, klang sie dünn und hoch, aber auch irgendwie vertraut. Surere, der im Laufe seines Lebens häufig in der Gesellschaft des Königs gewesen war, schien überzeugt zu sein, ihn vor sich zu haben. Huy spürte, wie unwirklich die Szene war, die sich da vor ihm abspielte. Seine eigene Seele schien sich von seinem Körper zu lösen und über ihm zu schweben. Aber immer noch hielt ein Teil seines Herzens ihn zurück und sagte: Wenn es der König ist, wird er wissen, daß du hier bist, und du hast keine Macht über das, was er tut. Wenn er es aber nicht ist...
    »Surere!« sagte Echnaton herrisch.
    »Herr.« Surere hielt den Kopf gesenkt, seine Stimme war ein Flüstern.
    »Ich reiche dir eine Schriftrolle und ein Messer. Auf der Schriftrolle steht eine Liste deiner Verbrechen und dein Geständnis. Du wirst es mit deinem Horus-Namen unterschreiben, mit deinem Nebti- Namen, mit deinem Goldener-Horus-Namen, mit deinem Nesubat -Namen und mit deinem Sohn-des-Ra- Namen. Dann wirst du das Messer nehmen und dich hineinstürzen, und du wirst das Boot der Nacht besteigen und zu mir kommen in die Felder von Aarru.«
    »Aber was muß ich gestehen?« Surere blickte zitternd auf; die Todesangst war größer als die Angst vor Echnaton. »Warum muß ich das tun?«
    »Es kommt dir nicht zu, mein Wort in Frage zu stellen. Mein Wort ist das Wort Gottes. Die Schriftrolle berichtet von den Kindern, die du zu mir geschickt hast, um sie vor dem Bösen zu beschützen, und von dem Medjay Merymose, der meine Pläne gestört hätte.«
    Surere senkte den Kopf und hob die Hände, um Papier und Messer entgegenzunehmen. Der König trat vor, um ihm beides zu geben. Dabei fiel das Licht der Öllampe auf sein Gesicht, und Huy erkannte, daß es hinter einer Maske verborgen war. Jetzt war sein zweifelndes Herz sicher; aber er blieb noch, wo er war.
    Der König legte eine Schreiberpalette mit Tuscheriegel, Pinseln und Wasserschale auf den Tisch neben das Brot und die Lampe. Wie in
    Trance entrollte Surere die kleine Schriftrolle und unterschrieb mit seinem Namen. Dann griff er nach dem Messer. Huy trat ins Freie.
    »Hast du beschlossen, mit
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