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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil
Autoren: Anton Gill
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einem Bett, einem langen, flachen Tisch und drei Schemeln; auf zweien davon standen kleine, beinahe gleich aussehende Holzkisten. Auf dem Tisch lag das Päckchen, das Nebamun gebracht hatte. Es war geöffnet. Der Inhalt glitzerte im matten Licht: Achate, Amethyste, roter und gelber Jaspis, Beryll, Karneol, Granat, Lapislazuli und Goldkörner. Einiges davon war zu Halsketten oder Ohrringen verarbeitet, andere Steine waren lose. Huy achtete darauf, nichts in Unordnung zu bringen, und spitzte ständig die Ohren, damit ihm kein Laut von der Straße entging; er wandte sich jetzt den beiden Kisten zu. Die eine war neu, die andere, das sah man, verschrammt und wies Spuren von Sand auf. Sie war aus gutem Zedernholz, und der Boden war feucht.
    Beide Kisten waren nur mit einfachen Riegeln ausgestattet, aber Huy zog sie sehr vorsichtig zurück. Surere war es durchaus zuzutrauen, daß er Skorpione hineinsetzte, wenn er die kleinste Befürchtung hegte, jemand könne sich daran zu schaffen machen. Der neue Kasten enthielt noch mehr Juwelen und Goldperlen. Er war fast voll, und Huy konnte ihn mit einer Hand nicht heben. In der zweiten Kiste lagen Papiere. Es waren Kontobücher. Jede der fünf kleinen Papyrusrollen war mit Zahlenkolonen in roter und schwarzer Tinte eng beschrieben.
    Huy überflog sie rasch und verstand. Er verstand auch, weshalb die Rollen neu waren, obwohl es sich bei ihrem Inhalt um Transaktionen handelte, die mehrere Jahre zurücklagen. Es waren Kopien. Surere bewahrte die Originale gewiß anderswo auf. Er mußte sie sicherheitshalber vor seinem Sturz beiseite geschafft haben.
    Huy brauchte nicht lange, um draußen unter einer Steinplatte das frischgegrabene Loch zu finden, in dem Surere die Kassette mit den Papieren versteckt hatte. Er konnte sich vorstellen, wie er Nebamun immer, wenn dieser eine neue Lieferung Juwelen brachte, eine kleine Rolle aushändigte, und zweifellos versprach er dabei, die Originale zurückzugeben, sobald er in Sicherheit wäre. Einstweilen, dachte Huy, hatte Surere einen Weg gefunden, seine Mission bequem zu finanzieren. Er hatte schon immer die Mittel gefunden, die seinem geheiligten Zweck dienten, und der religiöse Wahn, an dem er litt, schien daran nichts geändert zu haben. Er hatte ihn vielleicht nur noch skrupelloser gemacht.

Z EHN

    Huy kehrte aus dem Hof ins Zimmer zurück und legte alles wieder so hin, wie er es gefunden hatte. Er vergewisserte sich, daß er sein Messer griffbereit hatte, und ging dann wieder hinaus und setzte sich auf die Steinbank neben dem Teich. Jetzt erst sah er, daß zwei große Fische darin schwammen; nach Luft schnappend, hingen sie nebeneinander unter der Oberfläche, und ihre dummen, gierigen Gesichter starrten inbrünstig ins Nichts. Huy sah sich nach dem Wasserbottich um, und als er ihn gefunden hatte, vertrieb er sich die Zeit damit, den Tümpel mit einem kleinen Holzeimer wieder bis zum Rand aufzufüllen. Hoffentlich würden die Fische es ihm danken. Er fragte sich, wie lange er würde warten müssen, bis Surere zurückkäme. Er legte sich auf die Steinbank.
    Er wußte, daß er geschlafen hatte, denn er hatte einen Krampf im Nacken und die Erinnerung an einen Traum im Kopf. Er war auf dem Fluß gewesen, in einem Boot mit Aahmes und seinem Sohn. Es war zur Zeit des Opet-Festes, und sie waren glücklich gewesen und hatten voreinander die Neujahrsgelübde abgelegt, ohne jeden Vorbehalt in ihren Augen oder Herzen. Immer noch sah er das Sonnenlicht auf dem Wasser. Als er jetzt im dunklen Hof umherschaute und sich den Nacken massierte, sah er, daß er immer noch allein war. Er blickte zum Himmel hinauf, zu den Millionen ferner Sterne, und überlegte, wie spät es war. Nach der Abendkühle zu urteilen, mußte die sechste Stunde lange vorbei sein.
    Eine Vorahnung schien ihn geweckt zu haben, denn wenige Augenblicke später wurde der Riegel der Tür leise zurückgeschoben, und Surere schlüpfte hinein. Huy versuchte nicht erst, seinen Platz auf der Bank zu verlassen, obwohl der Stein inzwischen kalt war und ihm der Hintern wehtat. Surere, der ganz in sich versunken war, bemerkte ihn trotzdem nicht gleich.
    Als Surere ihn dann entdeckte, machte er einen Satz nach vorn - wie ein Tier, das ohne Vorwarnung angreift. Seine Hand fuhr blitzschnell zur Hüfte, wo sein Messer steckte. Aber Huy hatte seines bereits gezogen und war genauso schnell aufgesprungen; er wandte dem Gegner die Seite zu und balancierte auf den Zehen. Einen Moment lang verharrten sie so
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