Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil
Autoren: Anton Gill
Vom Netzwerk:
und er biß wütend die Zähne zusammen.
    Er ließ sich wieder nieder. Nichts rührte sich, und kein Laut war zu hören. Um diese Zeit verließ niemand das Haus, und wer bereits ausgegangen war, würde erst zurückkehren, wenn die Sonne den Zenit überschritten hätte. Das greller werdende Licht färbte die staubige Straße weiß und raubte Huy das letzte bißchen Schatten. Eine Stunde verging, und wie auf ein Zeichen hin, begannen die Grillen zu zirpen; ihr monotoner Singsang machte Huy schläfrig. Es war so still, daß eine Kobra sich aus einer verborgenen Ritze hervorwagte und sich ohne Hast mit fließenden Bewegungen über die Straßenmitte entfernte. Wieder verging eine Stunde, und Huy fragte sich allmählich, ob es vielleicht ein Fehler gewesen war, hierzubleiben. Vor der Abenddämmerung würde sich wahrscheinlich nichts rühren, aber da öffnete sich die Tür, und ein großer, gutgekleideter Mann, den Kopf zum Schutz vor der Sonne mit einem Tuch verhüllt, kam heraus und ging eilig die Straße hinunter in Richtung Stadtmitte.
    Huy hatte Surere sofort erkannt, aber in dieser Kleidung würde er nirgendwo Aufmerksamkeit erregen und bald im Gedränge verschwinden. Huy stellte erfreut fest, daß er richtig vermutet hatte: Dies war die sicherste Tageszeit, um sich hervorzuwagen. Die Menschen waren in ihre Arbeit und ihre eigenen Angelegenheiten vertieft, in den Straßen im Stadtinneren herrschte dichtes Gedränge, und die Hitze lähmte alle Sinne - nur denen nicht, die wachsam sein mußten, um zu überleben.
    Sobald die schlanke Gestalt am Ende der Straße verschwunden war, lief Huy rasch zur Tür und strich mit seiner gesunden Rechten rings um ihren Rand herum. Es war eine gute Tür, die glatt in die Wand eingefügt war, und der Riegel war so gut verborgen, daß Huy ihn nicht fand. Aber in der Mitte war ein Holzgriff angebracht, auf den Huy einen Fuß stellen konnte, und als er sich streckte, gelang es ihm, die Oberkante des Fensterladens darüber zu umklammern und sich hochzuziehen. Der Schweiß lief ihm in Strömen über das Gesicht, als er daran herumnestelte; mit einem Stoßseufzer der Erleichterung stellte er fest, daß es sich öffnen ließ. Huy zog mit aller Kraft, und der Laden schwang nach außen und schlug gegen die Hauswand. Huy hielt den Atem an. Das Geräusch war wie ein Donnerschlag gewesen. Eine lange Weile blieb er so hängen; er war nicht willens, diese hart erkämpfte Position aufzugeben, aber er fürchtete, jemand könnte herbeigerannt kommen. Aber es kam niemand. Mühsam schob er die gesunde Hand über den Fenstersims, und indem er sich, so hoch er konnte, auf die Zehen erhob, konnte er sich hochziehen und -stemmen und durch das Fenster schieben.
    Mit einem Krach fiel er auf den Holzfußboden des Zimmers dahinter, und ein stechender Schmerz durchfuhr ihn, denn er war auf seinem linken Arm aufgeprallt. Aber im nächsten Moment hatte er sich aufgerappelt und den Blendladen wieder geschlossen. Er erkannte den Raum sofort wieder. Vorsichtig ging er zur Tür und lauschte, aber ihm war klar, wenn es hier Diener oder auch nur einen Hund gegeben hätte, wären sie längst aufmerksam geworden. In einem Winkel seines Herzens erlaubte er sich, über die eigene Tollkühnheit zu lächeln. Dann öffnete er die Tür.
    Er stand auf einer schmalen Galerie über einem Hof, der sehr viel kleiner war, als die Vorderfront des Hauses vermuten ließ. Er sah vernachlässigt aus; eine staubige Palme krümmte sich über eine Steinbank an einem kleinen Teich, der halb verdunstet war. Nirgends war ein Lebenszeichen; alles wirkte wie unbewohnt. Neben der Tür, aus der er gerade gekommen war, befand sich eine zweite, und daneben war ein Fenster. Dahinter führte eine steile Treppe - beinahe eine Leiter - in den Hof hinunter.
    Huy wollte nicht länger als nötig unten bleiben. Hier saß er in einer Falle, denn es wäre ausgeschlossen, durch das Fenster zu fliehen, durch das er in das Haus eingedrungen war. Eilig drückte er gegen die Tür des nächsten Zimmers. Sie gab nach. Im Zimmer standen ein altes Bett, das anscheinend nicht benutzt wurde, ein niedriger Tisch und ein Stuhl. Eine kurze Suche erbrachte nichts außer zwei zerbröckelnden Papyrusrollen, deren Schrift aber so verblaßt war, daß man nichts mehr entziffern konnte.
    Es gab keine weiteren Zimmer in diesem Stockwerk; die Wand auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes mußte zum Nachbarhaus gehören. Unten, neben dem Eingangsflur, lag ein weiteres Zimmer mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher