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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil
Autoren: Anton Gill
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Vom Einbalsamierer war der Bruder in die Ostkaserne gefahren und hatte dort den Nachmittag über mit seinen Kameraden getrunken, und als das Seqtet -Boot der Sonne dem Horizont von Manu entgegensegelte, war er zurückgekommen und hatte nur an einem Stand haltgemacht, um dort Koriander und Minze sowie ein paar Becher von einem Wasserhändler zu kaufen.
    Von Reni oder seiner Frau war nichts zu sehen, und auch von der ältesten Tochter nicht. Nebamun versuchte vorläufig nicht, Kontakt mit Huy aufzunehmen. In stetem Strom kamen Besucher zum Haus; auch Ipuky war unter ihnen.
    »Es ist seltsam«, sagte sein Arbeitgeber später. »Reni ist gealtert; er ist geschrumpft, als ob er sich schon auf die Rückkehr zu Geb vorbereitete. Ich habe mit ihm gesprochen, aber er schien mich kaum zu bemerken. Die Brüder brennen auf Rache, besonders der ältere, aber er weiß nicht, was er machen soll. Er hat mich gefragt, ob seine Leute mit meinen Zusammenarbeiten könnten, aber sie sind eine wilde Bande, Kadetten, die wahrscheinlich nur darauf aus sind, ihr Mütchen zu kühlen. Sie werden die Morde nicht aufklären, sondern nur trinken, Eide schwören und große Pläne schmieden. Und wenn sie Surere finden, werden sie ihn in Stücke reißen.« Ipuky schwieg einen Moment. »Nebamun ist stiller. Kennst du ihn überhaupt?«
    »Nein. Ich bin ihm einmal begegnet.«
    »Er ist intelligent, aber unergründlich. Mutter und Tochter sind sehr gefaßt. Sie sind jetzt die Kraft in der Familie. Das Mädchen vor allem; im Gesicht der Mutter liegt eine bittere Genugtuung - als ob eine gefürchtete, aber erwartete Prophezeiung endlich eingetroffen sei.«
    Die Panik, die andere Eltern auf dem Palastgelände ergriffen hatte, war mit neuer Kraft erwacht. Haremheb gab beschwichtigende Erklärungen ab: Alles sei unter Kontrolle, Kenamuns Ermittlungen würden bald Früchte tragen, verschärfte Sicherheitsvorkehrungen seien nicht nötig. Mit fortschreitender Jahreszeit wurde jeder Tag heißer. Bald würde Achet beginnen, die Zeit der Überschwemmung. Man fürchtete jedoch, in diesem Jahr würde der Fluß nicht so hoch steigen wie sonst. Und wenn er auch nur um einen Bruchteil unter dem Mindestpegel bliebe, würde ein Jahr der Hungersnot folgen. Das Volk war unruhig. Die Dinge liefen nicht gut. Wo waren die Götter, die ihnen in ihrer Not helfen sollten? Oder war dies der Anfang einer Strafe?
    »Was macht Kenamun?« fragte Huy.
    »Er will seine ganze Truppe hier einsetzen. Bald werden zwei Männer in jeder Straße sein, und keiner mehr im Hafenviertel, wo sich die Verbrechen verdoppeln werden. Man spricht auch davon, Soldaten einzusetzen. Aber andere behaupten, Surere habe Dämonen heraufbeschworen, und dagegen könnten Menschen nichts ausrichten. Kenamun selbst macht einen ruhigen Eindruck, aber ihm steht immer Schweiß auf der Oberlippe.«
    »Wenn Surere noch in der Stadt ist, werden sie ihn finden.«
    »Ja.« Ipuky machte ein nachdenkliches Gesicht.

    Am dritten Tag verließ Nebamun das Haus im Morgengrauen. Die Sonnenstrahlen sickerten durch den Nebeldunst in die ockergelben Schluchten der Straßen. Ein Reiherpärchen, aufgeschreckt vom Schließen des Gartentores, verließ seinen Nistplatz hoch auf der Mauer von Renis Haus und kreiste langsam in Richtung Fluß. Huy, der im oberen Stockwerk von Ipukys Haus eine kleine Kammer bezogen hatte, wohin ständig die kleinen Kinder kamen, um ihn neugierig anzustarren, war jeden Morgen um die neunte Stunde aufgestanden - lange vor Sonnenaufgang -, und hatte in einem Hauseingang auf dem Platz an der Nordseite von Renis Haus Posten bezogen. Hier hatte er Einblick in die Seitengasse und konnte auch das große Hintertor im Auge behalten. Am Haupttor stand immer ein Torwächter, und niemand konnte das große Nordtor allein öffnen. Huy vermutete also, daß jemand, der das Haus unbemerkt betreten oder verlassen wollte, das Gartentor benutzen würde, aber die Seitengasse lag so ungeschützt da, daß man sich dort kaum verbergen konnte. Die zusätzlichen Medjays, die Kenamun einsetzen wollte, sollten von diesem Abend an auf der Straße unterwegs sein. Um das Volk zu beruhigen, hatten die Behörden aus dieser Tatsache kein Geheimnis gemacht. Huy war deshalb zu dem Schluß gekommen, daß genau jetzt der Zeitpunkt war, an dem am ehesten mit eventuellen geheimen Aktivitäten zu rechnen sei.
    Trotz der frühen Morgenstunde war der Platz nicht leer. Diener waren bereits am Hafen gewesen und kamen jetzt mit Fischen zurück - für
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