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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Wahrscheinlichkeit widerspricht, dass ich noch einmal einen Menschen finde, der mich besser versteht als du.«

    Â»Ach, wie kommt das nur?«
    Wir lagen auf dem Futon, alles war ruhig. Wir hatten gebadet und gegessen, wir waren ganz eingehüllt in wohltuende Ermattung.
    Â»Weil ich mich zehn Jahre älter fühle als vor einem Monat. Ein riesiger Zeitsprung. Wir haben diese Sache mitgemacht. Wir können nicht mehr so leben, als ob nichts passiert wäre. Keiner kann das.«
    Â»Dass wir den Bauplan nie sehen werden, geht mir schrecklich gegen den Strich«, sagte meine nüchterne Windfrau.
    Worauf ich entgegnete, dass Onkel Matsuo sich deswegen nicht übermäßig aufzuregen schien.
    Â»Und was sagen wir Tante Azai?«
    Â»Wir werden ihr natürlich einen Besuch abstatten.«
    Â»Sie wird uns ins Gesicht springen!«
    Wir starrten uns an und brachen in Gelächter aus, bevor mein Lachen erlosch und ich den Kopf schüttelte.
    Â»Nein. Sie weiß längst Bescheid. Wetten?«
    Mia machte ein verwundertes Gesicht.
    Â»Woher soll sie das wissen?«
    Â»Von Yodo-dono natürlich. Die beiden sind ja dauernd in Verbindung.«
    Mia bewegte skeptisch den Kopf hin und her.
    Â»Also … wenn du das glaubst …«
    Â»Klar doch«, sagte ich. »Tante Azai ist ja schon fast selbst ein Phantom.«
    Und wir lachten beide, bevor wir wieder ernst wurden und Mia, dicht an mich gekuschelt, wieder zu sprechen begann: »Irgendwie müssen wir sie dazu bringen, dass sie das Haus nicht verkauft. Nicht jetzt. Nicht solange wir darin wohnen.«
    Â»Vielleicht, wenn du sie darum bittest.«
    Â»Nein. Du musst sie darum bitten!«
    Â»Ich? Warum ich?«

    Â»Weil sie dich liebt, Rainer. Das weißt du doch.«
    Ich hörte ihre Worte, aber die Andeutung, die darin lag, drang nur langsam in meine Gedanken ein. In der Welt, die ich vorher gekannt hatte, waren solche Worte nichtssagend. Jetzt aber verstand ich sie.
    Â»Ach so«, sagte ich.
    Â»Und vielleicht kannst du es einrichten, dass du wieder vom Stuhl fällst. Sei so gut, tu ihr den Gefallen!«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Doch. Das würde ihr die größte Freude machen.«
    Ich versprach, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Da, wo sie war, gab es womöglich nicht mehr so viel, worüber sie lachen konnte. Und seitlich vom Stuhl zu kippen, war relativ einfach, man holte sich nur einen blauen Flecken am Hüftgelenk. Inzwischen redete Mia weiter, ganz entspannt, als ob sie laut dachte.
    Â»Kümmere dich um diese Sachen, Rainer. Nein, ehrlich, das kannst du viel besser als ich! Außerdem werde ich jetzt viel Arbeit haben. Alles muss neu aufgebaut werden. Und, siehst du?, jede Zeit hat ihre Architekten. Ich habe darüber dachgedacht. Intelligente Gebäude sind eine feine Sache. Solange Heizöl da ist, können die Computer weitermachen. Aber was, wenn kein Heizöl mehr da ist? Wenn die Supercomputer unter Wasser liegen?«
    Â»Ja, was dann?«, fragte ich einfältig.
    Â»Dann muss man über eine andere Struktur nachdenken. Die Gebäude müssen neu angepasst werden. An eine Unterbrechung der Stromversorgung zum Beispiel. Sie müssten über Notstromaggregate mit Gasturbinen verfügen. Und dann macht es keinen Unterschied, wenn mal die Stromversorgung aussetzt. Die Gebäude sollen eine schützende Umgebung für die Leute sein und keine Falle, verstehst du?«
    Ich streichelte ihre nackte Schulter.

    Â»Keine Falle! Das verstehe ich allerdings. Alles andere nicht, tut mir leid.«
    Sie lächelte nachsichtig.
    Â»Ist ja auch egal, das ist mein Job. Dazu gehört, dass ich mir Gedanken mache, wie besser und effizienter gebaut werden kann. Und nicht mehr so nahe am Meer, sondern auf Hügeln. Gebäude, die elastisch sind, die man schnell wieder aufbauen kann. Früher hatten wir solche Gebäude, Rainer. Keine Gebäude, die ungezügelt in die Höhe wucherten, wie jetzt. Und eigentlich sollten wir wie früher bauen. Keine Unsummen für Glas und Stahl mehr ausgeben. Ich bin auf der Suche nach neuen Ideen. Nach Ideen, die im Grunde überhaupt nicht neu sind. Mir schwebt eine andere Architektur vor. Eine Architektur, die sich organisch in die Landschaft einfügt, frei von verlogenen Figurationen.«
    Â»Da hast du aber viel vor«, sagte ich lächelnd.
    Sie sah mich an, mit großen, blanken Augen.
    Â»Ich habe noch viel Zeit, um mir Gedanken
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