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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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zuversichtlich. Der Knochenbruch ist kompliziert, sie wird vielleicht ein steifes Bein behalten, aber es ist noch zu früh, um eine Diagnose zu stellen. Vielleicht hilft eine Therapie, dass sie später wieder ohne Krücke gehen kann. Die arme, liebe Hatsue! Als sie aufwachte, galt ihr erster Gedanke Onkel Matsuo und ihren beiden Katzen, die
ihr sehr fehlen. Sobald sie entlassen wird, werden wir sie zu uns nehmen. In unserem Geisterhaus ist Platz genug. Sie kann bei uns wohnen, bis das Haus auf Tashiro-Jima wieder steht. Onkel Matsuo kümmert sich darum. Die junge Frau, die wir mit Hatsue ins Krankenhaus brachten, verlor leider ihr Baby. Aber sie hat Nachricht von ihrem Mann, der verletzt ist, aber am Leben. Das Schicksal teilt seine Schläge aus, verschont den einen, trifft den anderen. Und es stimmt nicht, was immer wieder behauptet wird. Weder Individuen noch ganze Völker kehren unter dem Druck der Angst zur primitiveren Art zurück. Der egoistische Reflex läuft nur auf vollen Touren, wenn die individuelle oder kollektive Seele primitiv ist. Ist jedoch die Seele edel, wachsen Menschen und Völker über sich selbst hinaus. Und es ist gut, wenn wir erfahren können, dass wir  – als Menschen  – nicht völlig, nicht überall versagen.
    Und noch etwas: Mia und ich werden heiraten, sobald sich hier die Lage beruhigt hat. Und dann  – ja  – dann besuchen wir dich! Du kannst es als Hochzeitsreise ansehen. Ich werde meine Wohnung auflösen, alles Administrative nach Tokio verlegen. Du wirst deine Schwiegertochter mögen: Sie hat eine scharfe Zunge, wie du. Sie wird gerne essen, was du kochst, ja, sogar Himmel und Erde!
    Weißt du, Mutter, auch die Brüchigkeit unseres Lebens kann anregend sein. Vielleicht wachen wir jetzt morgens auf mit einem starken, glücklichen Gefühl. Ganz einfach, weil wir noch am Leben sind. Ein Neubeginn auch für mich, ja, aber ohne Illusionen. Und wenn du mich jetzt fragst, wo hier der rote Faden ist, so muss ich dir antworten: Es gibt keinen roten Faden! Es gibt einfach nur die Geschichte eines Mannes  – meine Geschichte  –, die sich für kurze Zeit mit einer größeren Geschichte vermischte. Die Geschichte einer Landschaft, die schon viele Katastrophen
erlebt hat und noch mehr erleben wird. Onkel Matsuo sieht das schon richtig: dass der alte Bauplan endgültig vernichtet wurde, hat auch einen Sinn. Es war keine Suche mit spektakulärem Ergebnis, wie in einem amerikanischen Film. Indiana Jones hat den Hut an den Nagel gehängt. Im Grunde hat er den Hut nie getragen. Denn das Leben ist ganz anders. Manche Dinge gehen verloren und tauchen wieder auf, bevor sie, wie Träume, der Vergangenheit überlassen werden. Die Suche, auf die es ankam, war eine innerliche Suche. Und da kann ich sagen, dass ich mich endlich gefunden habe. Vielleicht verstehst du mich wieder nicht, vielleicht fragst du dich, ja, braucht es denn zur Selbsterkenntnis ein Erdbeben der Stärke neun auf der Richterskala? Ich liefere dir eine Antwort, Mutter, die du vielleicht als zynisch empfindest, die es aber in Wirklichkeit nicht ist: Was mein ganz persönliches Ich betrifft, mir hat die Erfahrung nicht geschadet. Sie hat mich, glaube ich, zu einem besseren Menschen gemacht.

38. Kapitel
    E ine meiner schönsten Erinnerungen«, sagte Mia vor dem Einschlafen zu mir, »ist der Augenblick, an dem du mir gesagt hast, dass du mich liebst.«
    Â»Wann habe ich das gesagt?«
    Â»In diesem Ryokan , schon vergessen?«
    Â»Ich hatte Kopfschmerzen. Ich wollte weg. Aber du wolltest bleiben.«
    Â»Ich spürte nichts. Ich bin eine lausige Windfrau.«
    Â»Windfrauen denken, das ist ihre Spezialität.«
    Â»Ja.« Mia seufzte. »Wir sind zu viel Objektivität fähig, ein Charakterzug, der nicht dazu angetan ist, uns mit einer Legende zu umgeben. Du, Rainer, bist eindeutig romantisch. Ich mag das sehr.«
    Weil kein Mann es jemals zugibt, wie gerne er das hört, lächelte ich selbstgefällig.
    Â»Den Eindruck habe ich nicht. Aber ich bin sehr anpassungsfähig. Und womöglich kann ich mich in das verwandeln, was der andere wünscht. Und so kann es tatsächlich sein, dass ich mal zu dem werde, was du aus mir machen willst.«
    Mia lachte sehr.
    Â»Mir genügt, dass du mir gefallen willst. Warum drückst du dich so geschraubt aus?«
    Â»Weil es dem Gesetz der
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