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Gefangene der Dunkelheit

Gefangene der Dunkelheit

Titel: Gefangene der Dunkelheit
Autoren: L Blue
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Prolog
    Siobhan kletterte durch das Dornengestrüpp am Fuß des Hügels, während ihr der normannische Ritter dicht auf den Fersen war. »Du solltest hoffen, dass ich dich niemals erwische, Kleine«, rief er und hackte sich mit seinem Schwert den Weg durch Ranken und Gestrüpp frei. »Du wirst mich noch anflehen, dich zu töten.«
    Siobhan wünschte, sie wäre bereits tot. Sie wünschte sich, dass ihr Kopf statt dem ihres Vaters beim ersten Angriffsstoß abgeschlagen worden wäre. Die Männer des normannischen Königs hatten sich dieses Mal nicht einmal die Mühe gemacht, eine königliche Proklamation vorzuschieben. Sie waren ohne jegliche Vorwarnung mitten in der Nacht in das Dorf ihres Vaters gestürmt und hatten die Holzhäuser in Brand gesetzt. Sie und ihre Mutter waren gerade noch rechtzeitig aus ihrem brennenden Gutshaus geflohen, um auf der engen Straße den Kopf ihres Vaters von den Schultern fallen und in den Rinnstein rollen zu sehen, wobei sich sein zorniges Gesicht noch immer bewegte. Auch wenn Siobhan diese Nacht irgendwie überleben und eine alte Frau von hundert Jahren werden sollte, würde sie diesen Anblick niemals vergessen – wie seine Augen geblinzelt hatten und sein Mund sich noch bewegt hatte, als wollte er sie alle verfluchen.
    Aber sie durfte jetzt nicht innehalten und darüber nachdenken. Sie sank auf die Knie und kroch unter einen Busch, wobei die Dornen ihren Rücken blutig kratzten, während sie sich zur kahlen Vorderseite des Druidenhügels hindurchschlug. Sie hätte niemals gedacht, dass sie so weit laufen müsste. Sie hatte angenommen, der normannische Ritter würde die Verfolgung aufgeben, wenn sie das Dickicht der Wälder erreichte, wohin ihr sein Pferd nicht folgen konnte. Aber dieses Glück war ihr nicht beschieden gewesen.
    »Ich werde dich erwischen, Kleine!«, rief er drohend hinter ihr her und war nun schon ein Stück näher gekommen. Sie kauerte im Gestrüpp und hoffte, er hätte ihre Spur verloren, aber seine Stimme kam immer noch näher. »Wohin willst du jetzt gehen?«
    Sie richtete sich am Felsen auf, und ein langer Dorn ritzte ihre Wange. Der steile Hang war vollkommen überwachsen und bildete einen natürlichen Schutz für den uralten Turm auf dessen Spitze. Als der König seine erste Proklamation erließ, hatte ihre Mutter ihr behagliches Gutshaus gegen den engen Steinturm eintauschen wollen. »Den Druidenturm können wir ewig verteidigen«, sagte sie. Aber ihr Vater ließ sich nicht dazu bewegen. Der alte König hatte seinem Vater diese Ländereien im Vertrag mit den Sachsen überlassen und ihn somit zu einem adligen Lord gemacht, gleichrangig mit dem normannischen Bastard, durch den der neue König ihn ersetzen wollte. Er hatte eine formelle Protestschrift eingereicht, in der ihm eigenen wunderschönen Handschrift, und darauf insistiert, dass die Sache damit erledigt sei. Aber vielleicht konnte der junge König Heinrich nicht lesen.
    »Komm hierher zurück«, rief der Ritter, der sie verfolgte. Er blieb beim dichtesten Dornengestrüpp stehen. »Komm zurück, und ich werde dir nichts tun.«
    Siobhan blickte zurück und schnaubte – hielt er sie für dumm? Sie hatte gesehen, was seine Kumpanen ihrer Mutter angetan hatten, bevor ihr Hauptmann ihr die Gnade erwiesen hatte, ihr die Kehle durchzuschneiden. Sie wusste, was dieser Mann für sie geplant hatte. Sie war vielleicht erst elf Jahre alt, aber sie war nicht töricht. Sie wandte sich wieder dem Hang zu und suchte nach einer Aufstiegsmöglichkeit.
    »Kleines Miststück«, hörte sie ihn ächzen, während er sich durch das Dornengestrüpp kämpfte, und ihr Herz schlug in panischer Angst schneller. Was würde Sean jetzt tun?, dachte sie und kickte ihre Schuhe fort. Wäre ihr älterer Bruder da gewesen, dann wäre, davon war sie überzeugt, keines dieser schrecklichen Dinge geschehen. Er hätte ihren Vater dazu gebracht, entweder davonzulaufen oder eine Verteidigung aufzubauen, die aus mehr als nur adligem Recht und Stolz bestand. Aber Sean war weit fort und versuchte sich selbst als Ritter zu bewähren.
    »Komm hier herunter, du kleines Äffchen«, sagte der Normanne hinter ihr mit hämischem Lachen. Er war jetzt sehr nahe. »Wo willst du hin?« Er hatte natürlich recht. Die Felswand vor ihr war zu hoch und zu steil. Sie würde niemals die Kraft haben, ganz bis nach oben zu gelangen. Selbst wenn sie es schaffte, hoch genug zu klettern, um sich ihm zu entziehen, würde er nur warten müssen, dass sie wieder herabkäme
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