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Tochter Des Krieges

Tochter Des Krieges

Titel: Tochter Des Krieges
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wollte, musste er zuerst die Gunst seines Onkels zurückgewinnen.
    Thomas seufzte und rutschte unruhig auf seinem Lager hin und her. Er hatte die Sache nicht gut angefangen.
    Er bemerkte, dass Will immer noch wach war und ihn unter den Decken seines Bettes hervor musterte. Zweifellos hatte er in den letzten Stunden eine ganze Reihe von Gefühlen über Thomas’ Gesicht huschen sehen.
    »Ich bin ein Narr gewesen, Will«, sagte Thomas leise.
    »O ja, da habt Ihr wohl recht.«
    »Würdest du dich eine Weile mit mir unterhalten? Die Nacht ist lang gewesen, aber sie ist noch längst nicht vorbei. Komm, Will, ich bin einige Jahre nicht mehr zu Hause gewesen, und es gibt sicher viele Neuigkeiten zu berichten. Sag mir, wann ist Lady Raby gestorben?«
    »Vor etwa einem Jahr«, sagte Will ein wenig zögernd, setzte sich auf und zog die Decke fest um die Schultern.
    »Zweifellos an Erschöpfung«, sagte Thomas lächelnd, dann bekreuzigte er sich und wurde wieder ernst. »Möge Gott ihrer Seele gnädig sein, aber… heiliger Herr im Himmel! Raby hat ihr einfach keine Ruhe gelassen.«
    Entwaffnet von dem Charme, den Thomas, wenn nötig, an den Tag legen konnte, zuckte es um Wills Mund, und er beruhigte sich etwas. »Rabys Burg hallt vom Fußgetrappel seiner Nachkommen wider. Er hat ungewöhnliches Glück. Wie viele Männer können schon elf Kinder ihr eigen nennen?«
    »Ja.« Die meisten Kinder starben vor dem fünften Lebensjahr und erlagen entweder Krankheiten oder den schrecklichen Qualen der Geburt. Raby war wahrhaft gesegnet.
    Thomas grinste. »Elf Kinder! Kein Wunder, dass ich in die Kirche eingetreten bin, Will. Nach der Geburt seines vierten Sohnes habe ich die Hoffnung aufgegeben, seine Ländereien zu erben!«
    Will lachte lauthals, und kurze Zeit später unterhielten sich die beiden Männer, als seien sie ihr ganzes Leben lang gute Freunde gewesen.
     
     
    Raby blickte immer noch unversöhnlich drein, als Thomas kurz nach der Morgendämmerung sein Gemach betrat.
    Thomas schaute sich rasch um. Die Hexe war nicht zu sehen.
    »Sie ist nicht hier«, sagte Raby. »Sie ist fortgegangen, um Gloucesters Gemahlin zu besuchen.«
    »Ich war letzte Nacht unfreundlich zu ihr«, sagte Thomas. »Ich wünschte, ich könnte meine Worte zurücknehmen.«
    »Du hast gut reden«, sagte Raby. »Gerade du.«
    Einen schrecklichen Moment lang glaubte Thomas, Raby spiele darauf an, dass er Odile in den Wäldern vor Nürnberg beigelegen hatte, doch dann wurde ihm klar, dass sein Onkel Alice meinte… und das Vorkommnis, weswegen Thomas in die Kirche eingetreten war, um Buße zu tun.
    Thomas wandte den Blick ab, damit sein Onkel nicht sah, dass er ihn beschämt hatte. Alles und jeder hatte ihn in den letzten Monaten an Alice erinnert und ihm für seine Schuld an ihrem Tod Vorwürfe gemacht. Er war in die Kirche eingetreten, um dafür zu sühnen. Würde ihn denn niemand jemals seine Schuld vergessen lassen?
    Raby blickte ihn an und wies dann mit einer Geste auf den Tisch. In einem Krug aus Bergkristall befand sich mit Wasser verdünnter Wein, und auf einem Teller lag etwas Brot und Obst. »Setz dich und iss.«
    Thomas setzte sich, nahm den Brotlaib und brach ein Stück davon ab, das er jedoch nur verlegen zerpflückte.
    »Was kann ich tun, um mein Vergehen wiedergutzumachen?«, fragte er schließlich und blickte Raby an, der in einen Apfel biss und den Blick seines Neffen erwiderte.
    »Nicht nur mein Verhalten Lady Rivers gegenüber«, sprach Thomas hastig weiter, »sondern auch dir und dem schwarzen Prinzen gegenüber. Ich habe mit meinen Taten den Namen der Nevilles befleckt und den Prinzen zutiefst verärgert.«
    Raby hob erstaunt die Augenbrauen. Es entsprach nicht Thomas’ Art, so reumütig zu sein. Er kaute seinen Apfel und antwortete nicht.
    »Ich unterstehe deinem Befehl und dem des schwarzen Prinzen«, sagte Thomas, »bis ihr mich dem Ordensgeneral übergebt.«
    »Genug, Tom«, sagte Raby und schluckte den Bissen Apfel hinunter. »Ich kann deine Reue nicht ertragen! «
    Er seufzte und legte den angebissenen Apfel hin. »Du bist vor kurzem in Paris gewesen und hast mit Philipp gesprochen. Und wohl auch mit dem Dauphin?«
    »Ja, obwohl ich den Dauphin nur sehr kurz östlich von Paris getroffen habe.«
    »Nun, was immer du in Erfahrung gebracht hast, wird zweifellos mehr sein, als wir wissen. Tom, wir fragen uns, was wir tun sollen. Sollen wir mit Philipp verhandeln – und wer kann ihm schon trauen? – oder mit Karl? Sollen wir unseren
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