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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef
Autoren: Andreas Pittler
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bei mir, dann überwachst mir wieder diesen Kaukasier. Das ist deine Aufgabe – und nichts anderes!“
    Demonstrativ versenkte sich der Postenkommandant in seine Akten und signalisierte Bronstein so unmissverständlich, dass die Angelegenheit entschieden war. Ihm blieb nur noch, sich zurückzuziehen. Er ballte die Fäuste und versuchte sich dabei so gut es ging zu beherrschen. Ohne weiteres Wort verließ er das Büro und begab sich wieder in den Aufenthaltsraum des Wachzimmers. Er vermied es, Lang anzusehen, nahm seinen Mantel an sich und machte, dass er auf die Straße kam.
    Dort erst gestattete er seinem Unmut, sich Bahn zu brechen. Er trat mit voller Wucht gegen einen Briefkasten, sodass die ihn umgebenden Passanten erschreckt hochblickten. Doch dieser Reaktion schenkte Bronstein keine Beachtung. Zu sehr war er mit sich selbst und seinem Zorn beschäftigt.
    Wirklich hervorragend! Da hofft man, endlich einmal aus diesem idiotischen Trott herauszukommen, und dann wird man zurückgepfiffen wie ein Schuljunge! Kein Wunder, dass in dieser Monarchie alles den Bach hinabging! Es muss ja der Dienstweg eingehalten werden! Auf diese Weise würde der Staat zugrundegehen – aber immerhin vorschriftsmäßig!
    So ein Schas! Jetzt konnte er, anstatt dass er endlich einmal Ermittlungen durchführte, wieder diesem langweiligen Ausländer nachstellen. Wie sehr er sich auch bemühte, er kam einfach nicht vom Fleck. Am besten, er besoff sich! So lange, bis er sich übergab. Dann musste er wenigstens nicht länger an seiner Niederlage würgen. In Ottakring gab es sicherlich genug Spelunken, in denen man sich mit ein paar Hellern einen ordentlichen Rausch anzüchten konnte. Und genau das würde er nun tun.
    Als er den Gürtel entlangstapfte und dabei den Elisabethbahnhof links liegen ließ, kam ihm ein Gedanke, der ihn mit diebischer Freude erfüllte. Er würde sich die paar Meter bis zur Kreitnergasse durchschlagen und dort in der Schankwirtschaft des Arbeiterheims Ottakringer Bier bis zum Anschlag in sich hineinschütten. Wenn der Staat für ihn keine bessere Verwendung hatte, als ihn Schmiere stehen zu lassen, dann konnte er es sich ruhig bei dessen Gegnern gemütlich machen.
    Keine zehn Minuten später stand er vor dem mächtigen Gebäude der Ottakringer Roten und bekam nun doch ein mulmiges Gefühl. Ein Staatsdiener im Café der Umstürzler? Bei aller berechtigten Empörung war dies wohl doch eine Überreaktion. Außerdem würde es ihm auch nicht besser gehen, wenn er sich nun betrank. Die Niederlage würde ihn am nächsten Morgen nicht weniger schmerzen, und wer vermochte zu sagen, zu welchen Verbalinjurien er sich im Zustand der Trunkenheit würde hinreißen lassen? Also war es wohl entschieden besser, einfach nach Hause zu gehen und sich dort volllaufen zu lassen, wenn er sich schon betrinken musste. Er verzichtete also darauf, das „Café Arbeiterheim“ zu betreten, und machte sich stattdessen auf, auch den Rest des Heimwegs hinter sich zu bringen.
    Zu Hause angekommen, machte er sich schließlich einen Tee. Für einen Augenblick dachte er darüber nach, diesen mit Rum zu strecken, doch schließlich gab er die Idee, sich Alkohol einzuverleiben, gänzlich auf. Er beschloss, seinen Ausschluss von dem Fall zu ignorieren, und sammelte für sich noch einmal die Fakten, die er am Nachmittag zusammengetragen hatte.
    Der Mészáros galt also im Generalstab als ein schweigsamer Kerl, der offensichtlich kaum Anschluss an die anderen Offiziere gesucht hatte. Bemerkenswert schienen mithin die zwei Kameraden, mit denen er laut Jaworsky regelmäßig Umgang gepflegt hatte. Die sollte man sich einmal ansehen.
    Nun ja, er hatte ja am nächsten Tag bis 16 Uhr frei. Vielleicht sollte er diese Zeit nutzen, um ein paar Gespräche zu führen. Ganz privat natürlich, denn alles andere würde ja dem Dienstweg zuwiderlaufen. Aber in seiner Freizeit konnte er ja wohl tun und lassen, was ihm beliebte. Und wenn er sich mit einem schmucken Offizier über die Besonderheiten des Armeedienstes unterhielt, dann fiel das ja wohl keineswegs unter Ermittlungen. Vielmehr unter Fortbildung. Denn, ja, wenn die Polizei für einen ausgebildeten Juristen keine bessere Verwendung hatte als subalterne Tätigkeiten zu verrichten, dann war die Armee für einen im Umgang mit der Waffe geschulten Akademiker vielleicht eine Alternative. Man musste sich einfach umsehen, wenn der eigene Brotherr kein Vertrauen in die Fähigkeiten seiner Bediensteten hatte, nicht
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