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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef
Autoren: Andreas Pittler
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gerade verhört und wahrscheinlich in einer Stunde auf die Elisabethpromenade geführt. Bronstein genügte diese Information. Er dankte für die Auskunft und trat wieder ins Freie.
    „Egonek, das war’s. Die Geschichte ist gegessen. Fiat iustitia.“
    „Ja, und wahrscheinlich wird dir diese Wendung der Geschichte nicht gerade schaden. Es würde mich nicht wundern, wenn du bald wieder deinen Dienst im Agenteninstitut antreten kannst.“
    „Na“, blieb Bronstein skeptisch, „da bin ich mir nicht so sicher, immerhin habe ich ihm die Mészáros-Sache letztlich ja doch nicht nachweisen können.“
    „Aber intern wird sie sich rumsprechen, darauf kannst dich verlassen. Nein, ich sag dir, im Juni bist wieder beim Mord.“
    „Schön wär’s.“
    Die beiden schlenderten durch den Volksgarten auf den Ring zu. „Irgendwie schon seltsam. Dass die Leute einfach den Hals nicht vollkriegen“, philosophierte Bronstein plötzlich. „Ich mein’, der Baumgarten, der hatte doch alles, was er brauchte. Und früher oder später hätt er ein Vermögen geerbt. Was macht der dann solche Blödheiten für ein paar Netsch mehr? Zum Leben hatte er genug, und sonst, ich bitte dich, sogar die Kultur ist bei uns gratis. Sieh dich um, Egonek, das Kunsthistorische, das Naturhistorische, das Museum der Stadt Wien, die Hofbibliothek, die Schatzkammer. Alles hat freien Eintritt. Wozu brauchst da noch so viel Geld, frag ich dich.“
    „Na ja, der Mensch lebt nicht von Brot und Kultur allein. Er will auch Luxus haben. Und grad der kostet wirklich eine Lawine.“
    „Aber Papperlapapp. Das ist doch alles Tinnef. Wer braucht ein Auto, wenn es die Tramway gibt? Und wer ein sündteures Varieté? Die Volksbildung in der Urania zum Beispiel, die kostet fast nix und bietet eine ganze Menge, wie ich weiß.“ Dabei dachte Bronstein freilich mehr an das Fräulein vom Vortag als an den Vortrag an sich. Doch das musste er Kisch ja nicht auf die Nase binden.
    „Bronstein, Bronstein, du bist zu idealistisch. Der Mensch liebt sein Kramuri und sein Graffelwerk. Und er will, dass es jeweils ein exklusives Graffelwerk ist, verstehst? Jeder will was Besonderes sein. Und dafür braucht er das nötige Knödel. Du weißt, Bronstein, wie es heißt: Am Gelde hängt, zum Gelde drängt doch alles.“
    „Ja, den Spruch hab ich schon g’hört. Aber ich häng nicht am schnöden Mammon. Das muss an der Herkunft meiner Familie liegen.“ Dabei zwinkerte Bronstein schelmisch. „Ich bin mehr den leiblichen Genüssen zugetan. Da, schau, Kisch, zehne ist’s. Grade recht für ein Gabelfrühstück. Was sagst, ich lad dich ein ins Landtmann. Bist dabei?“
    „Tja, eigentlich wollt ich in die Redaktion. Der nächste Artikel steht schon in meinem Köpfchen und wartet darauf, geschrieben zu werden.“
    „Dort wird er noch länger stehen. Doch schreibe nie auf nüchternen Magen, das gibt keine gute Schlagzeile.“
    Kisch wankte: „Also, sollen wir gehen?“
    „Ja, geh’n wir!“

Glossar
abmarkieren
abtreten
abschieben (Schieben S’ ab!)
sich entfernen (Verschwinden Sie!)
alsdern
alsdann, also
Aufdrehten, Aufdrahten, den A. haben
Pech haben, mit dem negativen Ausgang einer Sache unabänderlich konfrontiert sein
(sich) aufpudeln
(sich) aufregen
Baner
Gebeine, Knochen
Bassena
Wasserbecken im Flur eines Altbaus
Beuschl
Lunge
Brotschani
Verkäufer von Brot und Gebäck in Gaststätten
da
dir
dera
dieser
di
dich
eam
ihn, ihm
Egalisierungsfarbe
Abzeichenfarben zur Unterscheidung der Infanterieregimenter der k. u. k. Armee;
übrigens: Die 12. Farbe war Alizarinrot
ei(n)kastln
einsperren
eine
hinein, herein
Einserlandl
Landesgericht 1 (heute Justizanstalt Josefstadt)
Elisabethpromenade
Standort des Polizeigefangenenhauses (heute Rossauer Lände)
entere Gründe
Vorstädte, abgelegene Gebiete
Gablitzer
begriffsstutziger Mensch (nach dem Rindermarkt im gleichnamigen Ort)
gach
jäh, plötzlich
Geherda
Leibeigener, Domestik
gemma
gehen wir
glei
gleich
g’leit
geläutet
Graffelwerk
wertloses Zeug, Plunder
Gschamsterer
Verehrer, Liebhaber
Gspasettln
Unfug, Allotria
Gspusi
Liebschaft
Gstieß
Sküs; hier: Laufpass
Guglhupf
Napfkuchen
Ha?
Wie bitte?; auch als Frageanhängsel verwendet
hamdrahn, heimdrehen
umbringen
hamma
haben wir
Happel
Kopf
Hast mi?
Hast du mich verstanden?
hättat
hätte
Häusl
WC
Heh, Höh
Polizei
Heustadelwasser
langgestreckter Teich in den Praterauen
Hieb
Bezirk
Holler
Unsinn, dummes Gerede
Hutschenschleuderer
Betreiber von Ringelspielen u. ä.
i
ich
im Kraut
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