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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef
Autoren: Andreas Pittler
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Liebesbrief an irgendeinen Generalstäbler gefunden. Darin kommt zum Ausdruck, dass der junge Mann offenbar die Verbindung lösen wollte, weil ihm die Sache zu heiß wurde. Redl schlägt dem Liebhaber vor, gemeinsam nach Davos zur Erholung zu fahren. Und zwar in einem Tourenwagen von Austro-Daimler, den er ihm zu diesem Zwecke eigens kaufen würde. Nun, da habe ich heute nachgebohrt und bin draufgekommen, dass Redl tatsächlich einen solchen Wagen bestellt hat. Im 20. Bezirk wartet der auf seine Abholung. Redl hatte mit dem Händler Barzahlung vereinbart, und offenbar war er zu diesem Zeitpunkt nicht liquid. Daher der Weg zur Post, denn der Erholungsurlaub sollte offenbar heute noch angetreten werden.“
    „Na, da muss er ja wirklich schwer verliebt gewesen sein, der Redl, wenn er sich auf einen solchen Hasard einlässt.“
    „Ja“, bestätigte Kisch, „eine wüste G’schicht. Vor allem, weil der Gschamsterer ein ziemlich arroganter Pimpf sein dürft, mit dementsprechend hohen Ansprüchen. Das dürft dem Redl schließlich das Gnack gebrochen haben. Der Eleate war zu wählerisch, das war für’n Redl quälerisch“, reimte Kisch und grinste dabei.
    „Der Eleate? Wie kommst jetzt auf den?“ Bronstein verstand den Zusammenhang nicht, der zwischen der eben erzählten Geschichte und einem kruden griechischen Philosophen bestehen sollte, der ernsthaft geglaubt hatte, Achilles könne eine Schildkröte nicht überholen, weil der Abstand zwischen ihnen zwar unendlich oft kleiner werden, aber eben nicht aufhören würde, Abstand zu sein.
    „Na, weil der Geliebte …“
    „Zenon!“, platzte es aus Bronstein in einer Lautstärke heraus, die Kisch zusammenfahren ließ. Bronstein schlug sich mit der Hand auf die Stirn und fluchte: „Was bin ich doch für ein Trottel!“
    „Ja, sicher“, entgegnete Kisch lakonisch, „aber warum fällt dir das gerade jetzt auf?“
    „Der Liebhaber, der hieß Zeno, richtig?“ Kisch nickte. „Zeno von Baumgarten, ein Generalstabsoffizier.“ Abermaliges Nicken. Bronstein ließ sich zurückfallen und schüttelte lachend den Kopf. „Der hat ein Pantscherl mit dem alten Redl g’habt, und darum hatte der Mészáros den Aufdrehten. Gegen den Redl kam der natürlich nicht an.“
    „Du, jetzt versteh aber ich Bahnhof“, erklärte Kisch.
    „Aber ich hab dir doch von diesem merkwürdigen Fall erzählt. Mit diesem Mészáros. Der mir polizeiintern fast das Genick gebrochen hätt. Der hat sich angeblich aufg’hängt, aber das hab ich von Anfang an nicht geglaubt. Und da gab’s einen dubiosen Offizierskameraden, den ich sofort in Verdacht hatte, er hätte den Mészáros auf dem Gewissen. Und obwohl er es mir quasi unter die Nase gerieben hat, dass ich recht habe, konnte ich ihm nichts nachweisen. Im Gegenteil. Ich wurde geprügelt, weil ich einem Adeligen etwas ans Zeug flicken wollte. Und siehe da: Der Mann hieß Zeno von Baumgarten.“
    Jetzt war es an Kisch zu pfeifen.
    „Und ich sag dir was, Kisch! Der Mészáros, der war selbst in den Baumgarten verschossen. Darum hat er ihm auch immer was zu trinken spendiert und so weiter. Doch der Baumgarten wollte von ihm nichts wissen. Wozu auch? Der hatte ja den Redl. Deswegen kam es zwischen den beiden Jünglingen zu einem handfesten Streit, in dessen Zuge der Mészáros dem Baumgarten gedroht hat, ihn auffliegen zu lassen. Und deswegen musste der Baumgarten dem Mészáros für immer die Augen schließen.“
    „Das klingt plausibel. Aber drankriegen wirst du ihn deshalb auch diesmal nicht“, dämpfte Kisch den neu erwachten Enthusiasmus Bronsteins.
    „Ja. Da muss mir noch irgendetwas einfallen. Das stimmt.“ Bronstein stützte den Kopf in die Hände und versank in grübelndes Schweigen. Dann erhellte sich seine Miene plötzlich. „Sag, das Auto, … der Daimler …, der steht noch dort im 20.?“
    „Soweit ich weiß, ja. Warum?“
    „Du, ich glaub, mir kommt da eine Idee …“
    Kisch hob die Augenbrauen an: „Ah, und was für eine?“
    „Schau“, begann Bronstein, „das Problem ist, wie du richtig bemerkt hast, dass man Baumgarten nichts nachweisen kann. In dem Fall Mészáros schon gar nicht, aber auch nicht bei der Affäre Redl.“
    „So weit, so schlecht“, bemerkte Kisch trocken.
    „Richtig. Denn er kann jederzeit abstreiten, irgendetwas mit dem Redl zu tun gehabt zu haben. Selbst die Briefe beweisen nichts, denn Baumgarten kann sagen: Was kann ich denn dafür, wenn der alte Krauterer in mich verschossen war! Solange man
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