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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef
Autoren: Andreas Pittler
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Bronstein bei und hoffte dabei inständig, die Zweideutigkeit des Satzes mochte nicht allzu offensichtlich geworden sein. Mittlerweile waren sie am Ausgang angelangt.
    „Kann ich dem Fräulein noch eine Mietdroschke besorgen?“, fragte er.
    „Nein danke, das könnt ich mir nicht leisten. Ich nehme die Elektrische.“
    „Dann wünsche ich Ihnen noch einen wunderschönen Abend, gnädiges Fräulein“, schloss Bronstein mit einer weiteren Verbeugung. Die Raczek neigte leicht den Kopf und entschwand dann in Richtung Haltestelle. Bronstein sah ihr noch eine kleine Weile nach, um dann zu beschließen, wieder mehr für seine Bildung zu tun. Diese Woche war zwar mit verschiedensten Verpflichtungen vollgepflastert, aber kommenden Montag sollte er noch Zeit finden für einen volksbildnerischen Abend. Pfeifend machte er sich auf den Heimweg.

XII.
Dienstag, 27. Mai 1913
    Pünktlich um 7 Uhr 55 stand Bronstein am Seiteneingang des Burgtheaters. Nervös nestelte er an seinem Gilet herum und befreite endlich seine Taschenuhr aus ihrer üblichen Wohnstatt. Gut, dachte er, er war pünktlich. Aber wo blieb Kisch?
    „Fragst dich schon, wo ich bleib, ha?“ Kisch stand direkt neben ihm, als wäre er in genau diesem Augenblick aus dem Boden gewachsen. Bronstein grinste schief, enthielt sich jedoch eines Kommentars. Stattdessen setzte er sich in Bewegung, und Kisch folgte ihm.
    „Haben wir einen Plan?“
    „Na ja, genau so, wie wir es gestern besprochen haben, oder? Ich halte mich im Stiegenhaus verborgen und lausche eurem Zwiegespräch. Du klopfst an, und wenn er aufmacht, fragst du devot, ob dir Herr Zeno von Baumgarten gegenübersteht. Und dann sagst du einfach, du brächtest wie befohlen den Wagen für den gnädigen Herrn. Alles sei bezahlt und geregelt, er brauche nur noch den Empfang zu quittieren. Warte, ich habe da etwas vorbereitet.“ Bronstein zog ein Kuvert aus seinem Mantelinneren hervor, das einen Pappendeckel enthielt, auf den zwei Blatt Papier gespannt waren. Kisch konnte das obere sehen und las laut „Empfangsbestätigung“. Bronstein hob das erste Blatt an und zeigte seinem Freund den unteren Zettel, auf dem oben „Protokoll“ geschrieben stand. Auch hier gab es, wie auf der ersten Seite, eine punktierte Linie, unter der sich das Wort „Unterschrift“ befand. „Du hältst Baumgarten diesen Wisch unter die Nase und erklärst ihm, er müsse unterschreiben. Hier und hier.“ Dabei demonstrierte Bronstein, wie Kisch den Pappendeckel halten musste, damit Baumgarten das zweite Blatt unterfertigte, ohne zu bemerken, dass es sich hierbei ganz und gar nicht mehr um eine Bestätigung für die Auslieferung eines Autos handelte. Kisch verstand und setzte ein Lächeln auf, das sich auf Bronstein ansteckend auswirkte.
    Zwei Minuten später befanden sie sich in Baumgartens Wohnhaus. Bronstein blieb am Stiegenansatz zurück, während Kisch sich zur Wohnungstür begab, um ohne Umschweife anzuklopfen. Es dauerte eine Weile, ehe auf der anderen Seite der Pforte Lebenszeichen zu vernehmen waren. Kisch klopfte abermals. „Ja, ja, ich komm ja schon“, drang es aus der Wohnung. Danach folgten einige undeutliche Zischlaute, die davon kündeten, dass Baumgarten alles andere als erfreut darüber war, zu nachtschlafener Zeit aus dem Bett geholt worden zu sein. Missmutig öffnete er und starrte Kisch feindselig an: „Was ist?“
    „Herr Zeno von Baumgarten?“, fragte der mit serviler Stimme.
    „Wer denn sonst! Was wollen S’?“
    „Ich hätte da ein Auto für Sie. Einen Tourenwagen von Austro-Daimler. Den hat ein Herr gekauft und bar bezahlt, und er hat verfügt, dass wir ihn an Sie zustellen sollen.“
    Baumgartens Gesicht erhellte sich. „Der Fredl, der alte …“ Dann erstarb er und wurde förmlich. „Aha. Na, dann geben S’ her.“ Er hielt die Hand auf.
    „Entschuldigung, der Herr. Sie müssten mir den Empfang quittieren, damit die Übernahme bestätigt ist. Sie werden verstehen, es muss alles seine Richtigkeit haben.“
    Baumgarten schien einen Moment zu zögern, doch seine Gier überwog. Eilig schnappte er den Pappendeckel. „Hier“, sagte Kisch und deutete auf die punktierte Linie, „und hier“, dabei blätterte Kisch ansatzweise um, sodass nur der Teil mit der Unterschriftenzeile sichtbar war. Baumgarten krakelte eilig seinen Namen hin und drückte Kisch den Papierkram in die Hand.
    „Und wo ist jetzt mein Auto?“
    „Das wird gleich kommen. Und es wird sehr groß und grün sein“, sagte Bronstein, der
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