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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef
Autoren: Andreas Pittler
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pfiff durch die Zähne: „Schlaues Kerlchen. Du hast ja nicht lange gebraucht, um draufzukommen, worum es da gegangen ist, was?!“
    „Du, ja, ich dank dir auch recht. Der Zund mit dem Klomser war Gold wert. Da haben wir dann natürlich das Problem gehabt, wie wir mit der Meldung überhaupt rauskommen können, denn wenn ich einfach g’schrieben hätt, was wirklich passiert ist, dann hätt uns die Zensur den Artikel einfach rausg’haut und fertig. Aber mit dem Schmäh eines Dementis waren wir fein raus. Wie erwartet ist uns der Zensor voll auf den Leim gegangen, weil der sich wie erhofft gedacht haben dürfte, so etwas kann nur von oben kommen, und voilà, schon haben wir den Stein ins Rollen gebracht.“ Und immer noch grinste Kisch.
    „Und das alles, weil du gegen Holeschowitz verloren hast.“
    „Na ja, ganz so ist es auch wieder nicht. Als echter Journalist und Reporter habe ich natürlich Blut geleckt, als sich abzeichnete, welches Ausmaß die ganze Sache annimmt. Der Redl“, und dabei beugte sich Kisch verschwörerisch nach vorn, „hat zwar spioniert, aber aus einem überaus pikanten Grund.“ Kischs Grinsen changierte nun ins Anzügliche.
    „Ah echt?“, Bronstein blieb nur die Rolle des tumben Stichwortgebers.
    „Ja, echt. Der hat nämlich …, der war …, also schau, die ganze G’schicht war folgendermaßen …“ Kisch richtete sich auf, wartete darauf, dass die Bedienung Bronsteins Kaffee auf den Tisch stellte, und referierte dann, was er seit ihrer letzten Begegnung alles über die Sache in Erfahrung gebracht hatte.
    „Als die Kommission Redls Wohnung auseinandergenommen hat, da ist ihr – und damit auch unserem Endback – sofort aufgefallen, welch weibischem Geschmack die ganze Einrichtung dort frönt. Rottöne, Nippes, seidene Steppdecken, rosa Plüschüberwürfe …, man wähnte sich weit eher in einem Jungmädchenzimmer als in der Unterkunft eines Generalstäblers. Na, das war schon einmal bemerkenswert.“
    „Zweifellos. Und weiter?“ Bronstein hatte keine Ahnung, worauf Kisch hinauswollte.
    „Der Redl hatte sogar einen Schminktisch, man stelle sich vor! Darauf befanden sich Haarfärbemittel, Tuben, Tiegel, Manikürekästchen, Pomaden und verschiedene Scheren. Und die ganze Wohnung war schwer parfumgeschwängert.“
    „Na, vielleicht hatte er eine … Maîtresse, die eigentlich dort wohnte“, schlug Bronstein vor.
    „Nichts dergleichen. Er selbst war’s. Und als man den Schreibtisch aufbrach, hatte man auch den Beweis dafür. Liebesbriefe. Von Redl eigenhändig gefertigt. … An einen Herrn!“
    „Du meinst, der Redl war …?!“
    Kisch nickte.
    „Sogar mehr als das. Offenbar hatte er eine ganze Reihe männlicher Liebhaber gehabt, denn man fand ein ganzes Sammelsurium an Männernamen in unterschiedlichen Schriftstücken. Einen Ulanenoffizier in Stockerau, einen Landwehrhauptmann aus Mähren, einen Seekadetten aus Triest, mehrere Generalstäbler, und alle hatten sie eines gemeinsam: Sie waren männlich und auffallend jung.“
    Kisch tat einen kräftigen Schluck, dann fuhr er fort: „Na ja, so ein Plaisir, das kostet natürlich einiges. Und der Redl war ja nicht gerade aus reichem Hause. Also musste er sich das Geld anderswo beschaffen. So kam es, dass er für die Russen spionierte. Und die haben es ihm ganz offensichtlich reichlich belohnt, denn das Vermögen des Redl ist nicht von schlechten Eltern, das sag ich dir.“
    „Wirklich?“
    Kisch konsultierte seine Aufzeichnungen: „Der Redl hatte außer in Prag auch noch hier in der Wickenburggasse eine feudale Wohnung, dazu eine noble Villa im niederösterreichischen Innermanzing. Er besaß zwei Autos und mehrere Reitpferde. Allein in Prag hat die Kommission 21.000 Kronen sichergestellt, dazu Gegenstände im Wert von noch einmal rund 10.000 Kronen. Weißt du, David, was das heißt? Das verdienen wir im Leben nicht. Und wenn wir hundertmal wiedergeboren werden.“
    Bronstein blieb die Luft weg.
    „Aber wenn der so unermesslich reich war, wieso begeht der dann die unglaubliche Dummheit und holt sich diese Geldanweisung der Russen persönlich am Postamt ab? Das hätt er ja gar ned not g’habt.“
    „Du wirst lachen, das hab ich mich auch schon gefragt. Des Rätsels Lösung ist ganz einfach. Sein Geld war in Prag, er aber brauchte sofort eine nennenswerte Summe, weil er seinen Geliebten nicht verlieren wollte.“
    Bronstein machte einfach nur ein fragendes Gesicht.
    „Man hat einen begonnenen, aber sichtlich nicht abgeschickten
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