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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef
Autoren: Andreas Pittler
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waren hier im Generalstab allesamt mehr am Ruf der Armee als an den Umständen des Ableben eines ihrer Offiziere interessiert. Er hoffte inständig, die Polizeidirektion würde eine etwas weniger prosaische Einstellung zu ihren Mitarbeitern haben.
    Als er das Haus am Ring verließ, fand er, fürs Erste hatte er erstaunlich viele Fakten zutage gefördert. Damit würde man etwas anfangen können. Endlich würden die Tage der Öde und Langeweile im Koat vorbei sein.
    Nur wenig später betrat er beschwingt das Kommissariat. Dort sah er Lang mit einer wahren Leichenbittermiene am Schreibtisch sitzen. „Keine Sorge“, begrüßte er ihn jovial, „ich hab wirklich Fortschritte g’macht. Ich glaub, wir sind schon einen großen Schritt weiter. Die Sache da, die wird unser Durchbruch.“
    „Des glaub i weniger“, entgegnete Lang kühl. „Der Chef wartet schon auf dich …“
    Die Art, wie Lang diesen Satz gesagt hatte, verwirrte Bronstein. Natürlich wartete der Postenkommandant auf ihn, immerhin hatten sie bemerkenswert schnell reagiert und bereits Ermittlungen eingeleitet, die durchaus schon von ersten Erfolgen gekrönt waren. Alles andere als eine Belobigung wäre daher in höchstem Ausmaß unangemessen. Und daher bestand kein Grund, einen solch trübsinnigen Eindruck zu machen. Kopfschüttelnd passierte Bronstein den Kollegen und begab sich in den hinteren Teil des Gebäudes, wo das Büro des Kommandanten untergebracht war. Er klopfte an.
    „Herein!“, donnerte es aus dem Inneren des Zimmers.
    „Grüß …“
    „Bronstein, du Sargnagel!“ Bronstein war nicht dazugekommen, seinen Gruß zu vollenden, schon fuhr ihn der Postenkommandant an. Und dies auf eine Weise, die kaum Gutes verhieß. Nicht einmal Platz wurde ihm angeboten. Und so stand er unmittelbar bei der Tür und musste eine wahre Philippika über sich ergehen lassen.
    „Sag einmal, was ist denn dir eingefallen? Glaubst du, du bist der Polizeipräsident persönlich, oder was? Ermittelst da einfach auf eigene Faust drauflos, als bräuchten wir niemanden um irgendetwas zu fragen. Als gäbe es kein Organigramm mit den Zuständigkeiten der jeweiligen Organe.“
    „Aber …“
    „Du, Bronstein! Wir sind eine Behörde! Da macht ned einfach ein jeder, was ihm grad Spaß macht, verstehst mich?! Da hat man sich an den Dienstweg zu halten!“
    Die letzten Worte hatte der Kommandant derart gebrüllt, dass man sie wohl auch noch in Bad Ischl gehört hatte. Und um seinen Zorn noch zusätzlich zu unterstreichen, hatte Bronsteins Gegenüber geräuschvoll mit der Faust auf den Tisch geschlagen.
    Bronstein nutzte die Atempause seines Vorgesetzten zu einer Verteidigung. „Entschuldigung schon, Chef, aber wir sind absolut vorschriftsmäßig vorgegangen. Wir haben den Tatort abgesichert, die zuständige Abteilung zur Sicherung der Spuren kontaktiert, und ich habe mir erlaubt, Näheres über das mutmaßliche Opfer in Erfahrung zu bringen, was mir, nebenbei bemerkt, auch gelungen ist. Ich weiß also wirklich nicht …“
    „Genau. Du weißt wirklich nichts! Erstens ist das ziemlich sicher ohnehin ein Selbstmord, da gibt’s dann also gleich gar nichts zum Ermitteln. Und selbst wenn – und ich betone: wenn – hier ein Gewaltverbrechen vorliegt, dann ist das eine Sache für die Polizeiagenten und nicht für uns. Eigenmächtigkeiten, Bronstein, sind da gänzlich fehl am Platz. Verstehst das?“
    Bronstein wich dem Blick seines Vorgesetzten aus. Das war sein Fall, und den wollte er sich nicht von den aufgeblasenen Wichtigtuern vom Mord wegnehmen lassen. „Aber wir haben ihn doch gefunden“, sagte er daher, „wir haben den Fall aufgenommen.“
    „Aufgenommen! Siehst du, genau das ist das Stichwort. Ihr habt ihn aufgenommen. Und jetzt kommt die Elite zum Zug. Die nehmen sich der Sache – so sie überhaupt eine solche ist – jetzt an, und so kleine Pflasterhirschen wie wir es sind, wir haben jetzt gefälligst wieder Pause. Geht das in deinen Plutzer rein, Bronstein? Ja oder nein?“
    „Und warum können wir nicht mit denen zusammenarbeiten?“
    „Bronstein, du Christkindl. Du kostest mich den letzten Nerv! Das geht uns alles nichts an. Wir haben andere Obliegenheiten, die zu erledigen uns anvertraut sind. Also mach gefälligst, was man dir sagt, und nicht andauernd das, was dir grad einfällt!“
    „Aber Chef, …“
    „Nichts aber. Ende der Debatte. Wir sind ja schließlich nicht im Reichsrat! Du gehst jetzt heim. Und morgen meldest dich um vier am Nachmittag hier
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