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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef
Autoren: Andreas Pittler
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Bürostuhl und sah Bronstein erwartungsvoll an. Dieser erklärte die näheren Zusammenhänge seines Besuchs.
    „Der Mészáros! Na damit hätt ich jetzt aber nicht gerechnet. … Wissen S’, Herr Oberkommissär, wir haben einige Himmelfahrtskandidaten in unserem Kurs, allen voran den Kaufmann und den Zeiss-Güldenberg, aber beim Mészáros war ich mir eigentlich immer sicher, dass der einmal eine Zierde seines Standes wird. Der war ned viel schlechter wie der Freiherr von Bonatti, der die Zierde dieses Generalstabskurses ist.“
    „Himmelfahrtskandidaten?“, fragte Bronstein.
    „Na ja, Sie wissen schon, Leut, die kein G’spür haben für das, was machbar ist, und das, was nicht machbar ist. Der Zeiss zum Beispiel, ned wahr, das ist ein echter Hasardeur. Der vertraut immer darauf, dass ihn sein Name bei allem immunisiert. Der beste Reiter der ganzen Gruppe, waghalsig in jedem Manöver, aber auch ohne jede Umsicht. Der tät Ihnen gegen ein Maxim anreiten, als wär’s ein Bauer mit einem Dreschflegel. Im Ernstfall, hab ich mir immer gedacht, ist der Zeiss der Erste, den wir einsargen müssen. Der Mészáros hingegen war immer ruhig und bedächtig.“
    „Stille Wasser sind tief“, übte sich Bronstein in vermeintlicher Tiefgründigkeit. Sein Gegenüber fühlte sich zu einem unbestimmbaren Nicken bemüßigt.
    „Gab es Leute in dem Kurs, zu denen er einen besonderen Kontakt hatte? Den Freiherrn von Bonatti vielleicht?“
    „Ich bitte Sie, der Freiherr von Bonatti ist zwar ein Ausbund an Courage, Klugheit und Großzügigkeit, aber ein kleiner ungarischer Aufsteiger und alteingesessener Uradel, das geht privat nicht z’samm, wenn Sie verstehen, was ich meine.“
    „Dann vielleicht andere Aufsteiger?“ Bronstein betonte das letzte Wort spöttisch, was Jaworsky nicht entging.
    „Schauen Sie, Seine Majestät haben geruht, im Heer auch jenen eine Chance zur Bewährung zu geben, denen in der Gesellschaft doch ganz eindeutige Schranken auferlegt sind. Damit Sie mich nicht falsch verstehen, Herr Oberkommissär, dagegen habe ich gar nichts. Aber ich muss mich nicht auch noch privat mit solchen … Menschen gemein machen. Wir bleiben nach Dienstschluss unter uns.“
    „Wir?“
    „Na, Leute wie der Zeiss-Güldenberg, der Zeno von Baumgarten, meine Wenigkeit …“
    „… der von Bonatti …“
    „An dem haben S’ jetzt einen Narren g’fressen, was? Aber der Herr Freiherr ist keiner, der irgendwo dem süßen Nichtstun nachgeht. Der hat’s mit der Kultur …“
    Bronstein wollte nachhaken und fragen, was diese Information jetzt erklären sollte, doch er beschloss, den Bonatti vorerst einmal außer Acht zu lassen.
    „Gut, also die Vertreter des Adels treffen sich abends gesondert, und die Repräsentanten des Bürgertums tun dies auch. Sehe ich das richtig?“
    „Im Großen und Ganzen ja.“
    „Und mit wem hatte dann der Mészáros Umgang?“
    „Am ehesten noch mit dem Hevesi, seinem Landsmann, und mit dem Binder. Der kommt aus einem Alpendorf im Westen, und das macht ihn genauso zum Außenseiter wie unsere beiden Magyaren.“
    „Binder und Hevesi also. Was können Sie mir über die beiden erzählen?“
    „Der Hevesi ist ein Heißsporn. Vielleicht nicht unbedingt der Hellste, aber mutig bis zur Tollkühnheit. Der passt eigentlich gar nicht zum Mészáros, aber der Umstand, dass sie fast aus demselben Weiler sind, hat sie offenbar zusammengeschweißt. Na, und der Binder, der ist ein bissel ein Simpel. Ehrlich bis zur Selbstschädigung. Wenn der den Zapfenstreich um eine Minute verpasst, dann stellt er sich freiwillig.“
    „Na, das muss ja dann ein illustres Trio g’wesen sein.“
    „Ja, könnt man so sagen.“
    „Na gut, dann danke ich vorerst für die Informationen, Herr Rittmeister. Ich darf mich doch an Sie wenden, falls ich noch etwas brauche?“
    „Sicher, sicher. Aber sagen S’, Herr Oberkommissär, wie geht’s denn jetzt weiter?“
    „Na, zuerst müssen wir einmal klären, ob überhaupt ein Tatbestand vorliegt, nicht wahr. Es ist ja immerhin möglich, dass der Herr Oberleutnant wirklich des Lebens überdrüssig war. Wegen einer Liebesg’schicht zum Beispiel, oder einer seelischen Veranlagung. So was gibt’s, müssen S’ wissen.“
    Jaworsky nickte.
    „Na, und wenn die Selbsttötung ausscheidet, dann müssen wir halt schauen, wer für die Tat verantwortlich sein könnte. Ermittlungen halt.“
    „Nun ja, solange kein Schatten auf des Kaisers Herr fällt …“
    Anscheinend, dachte Bronstein,
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