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Tinker-Kate und die geheime Bruderschaft

Tinker-Kate und die geheime Bruderschaft

Titel: Tinker-Kate und die geheime Bruderschaft
Autoren: Steve Hogan
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geschlossenen Fenster hörte man das Räderrollen der Kutschen und das Hufgetrappel auf der Brick Lane. Aus weiterer Entfernung erklang das vertraute Geräusch von Rotoren fremder Dampfkutter.
    Kate fühlte eine innere Leere in sich aufsteigen. Sie schaute sich in ihrer Wohnung um. Aber nichts deutete darauf hin, dass James in ihrer Kleidung oder ihren persönlichen Sachen gewühlt hatte. Sie musste an den Moment zurückdenken, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte.
    Er hatte ihr auf Anhieb gefallen, obwohl er sehr von sich selbst überzeugt gewesen war. Und sie fand es völlig unverschämt von ihm, einfach so in ihre Wohnung einzudringen. Das war kein Beweis dafür, dass James ihr auch nur eine Winzigkeit an Respekt entgegenbrachte. So gesehen empfand sie seine Komplimente und interessierten Blicke eher als eine Demütigung. Hielt er sie am Ende für eine junge Frau, die leicht zu haben war?
    Kate griff zu ihrem modernen Flötenkessel und bereitete sich einen Tee zu. Sie nahm sich fest vor, diesen Mann mit den nussbraunen schönen Augen so schnell wie möglich zu vergessen. Wahrscheinlich würde sie ihn ohnehin niemals wiedersehen. Zum Glück lebte sie ja nicht in einem winzigen Dorf, sondern in der größten Stadt der Welt.
    Neville sprang von einem Fabrikdach. Der Vampir hatte einem einsam durch das East End streifenden Menschen aufgelauert. Doch bevor Neville seine Fangzähne in die Halsschlagader seines Opfers treiben konnte, war er durch einen Windstoß gestoppt worden.
    Der Mann, auf dessen Blut es der Vampir abgesehen hatte, war nämlich sturzbetrunken. Die Bö von der Themse her schmeckte nicht nur nach Salzwasser und Fisch, sondern auch nach Unmengen von billigem Gin.
    Neville schüttelte sich vor Ekel. Die Erinnerung an den Hotelgast aus The Landmark kam wieder hoch. Auch dieses Opfer war alkoholisiert gewesen. Neville hatte es gar nicht gut vertragen, ihn leerzutrinken. Im Notfall mochte es für einen erfahrenen Vampir wie ihn in Ordnung sein, sich gelegentlich mit Whisky oder Gin versetzten Lebenssaft einzuverleiben. Aber Neville wollte sich das nicht zur Gewohnheit werden lassen, denn solche Blutmahlzeiten bekamen ihm gar nicht gut.
    Unschlüssig schaute sich das Nachtwesen um, nachdem es auf dem schmutzigen Kopfsteinpflaster der stillen Gasse gelandet war. Der Trunkenbold hatte nichts von der nahen Vampir-Gefahr hinter ihm bemerkt. Er ging seiner Wege, vermutlich suchte er den nächsten Ginpalast. Wieso torkelte dieser Kerl eigentlich gar nicht?
    Diese Frage schoss Neville durch den Kopf. Sie würde sich wohl niemals beantworten lassen. Aber es gab sowieso viele Dinge, die der Vampir nicht verstand. Vor allem beunruhigte ihn das vage Gefühl, bei seinem Meister in Ungnade gefallen zu sein. Neville hätte nicht sagen können, wodurch diese Empfindung ausgelöst wurde. Ihn hatte keine Nachricht von Merrick Grim erreicht. Aber als Vampir nahm er seine Umgebung viel intensiver war als diese grobschlächtigen Menschen, die wie eine Hammelherde durch den Nebel stapften und völlig abgestumpft waren.
    Und sein Instinkt betrog ihn nicht: Eine Bewegung am anderen Ende der Gasse ließ Neville erstarren. Er presste sich enger an die schieferfarbene Fabrikmauer. Seine vampirischen Sinne witterten frisches Blut. Neville wusste, dass viele junge Frauen in den Gassen und Hinterhöfen des East Ends ihren Körper verkauften. Ob er es mit einem Straßenmädchen zu tun hatte? Der Blutsauger benutzte den Nebel wie einen Tarnumhang. Er pirschte sich an seine Beute heran. Die Frau sollte ihn erst bemerken, wenn sie nicht mehr fliehen oder schreien konnte.
    „Suchst du etwas, Neville?“
    Die helle kühle Stimme von Vespasia ließ den Vampir zusammenzucken. Er war nun wirklich beunruhigt. Normalerweise konnte es nicht vorkommen, dass er seinesgleichen mit einem sterblichen Menschen verwechselte. Doch nun war es ihm passiert, und dafür gab es nur eine Erklärung: Vespasia hatte Neville gegenüber ihre vampirische Existenz verschleiert, um ihn anzulocken.
    So etwas konnte die persönliche Dienerin von Merrick Grim tun, denn Vespasia besaß viel mehr magische Fähigkeiten als Neville selbst. Aber warum hatte sie das getan? Neville spürte, dass ihr Verhalten für ihn nichts Gutes zu bedeuten hatte.
    Dennoch zwang er sich zu einem aufgesetzten Grinsen, als nun die schlanke schöne Gestalt von Vespasia zwischen den Nebelschwaden hervortrat. Sie sollte denken, dass er sich als der Herr der Lage fühlte. Obwohl er innerlich
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