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Tinker-Kate und die geheime Bruderschaft

Tinker-Kate und die geheime Bruderschaft

Titel: Tinker-Kate und die geheime Bruderschaft
Autoren: Steve Hogan
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Passagier hier abgesetzt?“
    „Ja.“
    Nach seiner letzten Antwort schob sich O’Leary ein frisches Stück Kautabak in den Mund. Für seine Verhältnisse war er beinahe geschwätzig gewesen. Kate wusste nun immerhin, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Aber das nützte ihr trotzdem nichts. Sie war felsenfest davon überzeugt gewesen, den Serienmörder an Bord ihres Dampfkutters gehabt zu haben. Aber nun war er wie vom Erdboden verschluckt. Die Zeugenaussage von O’Leary war gegenüber der Kriminalpolizei nicht viel wert. Man würde annehmen, dass er seiner Chefin nur nach dem Mund redete. Immerhin war er ja wirtschaftlich von ihr abhängig.
    Kate stürzte sich in die Arbeit, um sich abzulenken. Was blieb ihr auch anderes übrig? Sie war immer sehr stolz darauf gewesen, dass sie der Londoner Polizei bei der Verhaftung von gefährlichen Kriminellen tatkräftig hatte helfen können. Und da Kate stets knapp bei Kasse war, konnte sie die Belohnungen aus Inspektor Williams’ Spitzelkasse gut gebrauchen. Nun wollte sie an diesem Tag wenigstens versuchen, mit ihrem Dampfkutter genug Geld zu verdienen.
    Doch es war wie verhext. Als Kate und O’Leary eine Stunde später das Victoria Flugfeld erreichten, war das Linien-Luftschiff aus Madrid ausnahmsweise einmal pünktlich gewesen. Einige andere Piloten hatten sich schon Passagiere gesichert, und die geizigen Touristen kletterten gerade in die wartenden Pferdedroschken. Eine Fahrt mit der Kutsche in die Londoner Innenstadt war immer noch wesentlich billiger als ein Dampfkutter-Flug.
    Auch während des restlichen Arbeitstages schien Kate vom Pech verfolgt zu werden. Obwohl wegen der bevorstehenden Eröffnung der Weltausstellung Menschen aus allen Erdteilen in die britische Hauptstadt strömten, bekam Kate nur sehr wenige Passagiere. Sie las Zeitung, um sich die Stunden des Wartens zu verkürzen. Doch dadurch verbesserte sich ihre Stimmung auch nicht. Die Blätter berichteten in aller Ausführlichkeit über den Mord, der sich in der vergangenen Nacht im Hotel The Landmark ereignet hatte. Das Opfer war offenbar ein Handelsvertreter aus Glasgow namens Tobias Bannister gewesen. Angeblich hatte Mr Bannister keine Feinde gehabt und war nur wegen seiner Geschäfte nach London gekommen.
    „Die Bestie mordet wahllos, sie will nur Blut trinken“, murmelte Kate vor sich hin. Sie stand an die Karosserie ihres Drehflüglers gelehnt und blätterte in der Zeitung, während O’Leary auf seinem Drahtsitz hockte und in einen Wälzer von einem Schauerroman vertieft war. Der Alte interessierte sich nicht für das, was in der Welt passierte. Er las lieber seine blutrünstigen Horrorgeschichten.
    Nach Einbruch der Dunkelheit kutschierte Kate noch zwei vergnügungssüchtige Gentlemen zu den Tanzpalästen des West Ends, dann hatte sie endgültig die Nase voll. Sie lenkte ihren Dampfkutter in den Schuppen zurück.
    „Morgen wird bestimmt ein besserer Tag. Gute Nacht, O’Leary.“
    „Gute Nacht, Chefin.“
    Kaum hatte Kate ihre Wohnung aufgeschlossen, da erkannte sie, dass etwas nicht stimmte. Es roch nach einem teuren Herrenparfüm. Und es war schon länger her, dass sie Besuch von einem männlichen Wesen bekommen hatte. Kate lernte zwar in ihrem Beruf viele Herren kennen, aber die meisten waren nur an einer flüchtigen Affäre interessiert. Und für so etwas war Kate viel zu romantisch. Sie überlegte es sich sehr genau, ob und wann sie einen Gentleman mit in ihre Wohnung nahm.
    Jedenfalls konnte dieser Duft nur eines zu bedeuten haben – ein Unbekannter war in ihr Zuhause eingedrungen. Und er befand sich vielleicht noch immer hier! Kaum war Kate dieser Gedanke gekommen, als sie auch schon am Handgelenk gepackt wurde. Der Griff war nicht brutal, aber fest. Kate wurde in die Mitte des Raums gezerrt. Sie strauchelte in der Dunkelheit, musste sich an der Tischkante festhalten. Ein Streichholz flammte auf.
    Jemand hielt die kleine Flamme an den Docht von Kates großer Petroleumlampe. Kates Kehle wurde schlagartig staubtrocken. Sie kannte den Mann, der bei ihr eingebrochen war und nun soeben Licht gemacht hatte.
    Es war der schöne Fremde aus der Hotelhalle, der Vampir und Serienmörder.
    „W…was tun Sie hier?“ Kate verachtete sich selbst dafür, dass ihre Stimme sich plötzlich so dünn und zitternd anhörte. Gewiss, sie fürchtete sich vor dem Eindringling. Aber gleichzeitig war sie auch wütend, weil er sie so einfach überrumpelt hatte. Sie war nun seine Gefangene, und zwar in ihren
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