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1306 - Hexenbalg

1306 - Hexenbalg

Titel: 1306 - Hexenbalg
Autoren: Jason Dark
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Vor dem Haus hatte Vinzenz Schwaiger noch einigermaßen laufen können, weil der Schnee dort flach wie Beton lag, doch am Ende des Weges sank sein Bein fast bis zum Knie in die weiche Masse.
    Am frühen Abend war Schnee gefallen. Er lag jetzt auf der schon älteren Masse, sodass das helle Leichentuch höher geworden war.
    Der Bauer ärgerte sich. Er ging nicht wieder zurück in sein Haus, um den Schnee vom Hosenstoff abzuputzen, er wandte sich nach rechts und stieg weiterhin sein Grundstück hoch. Jetzt war es ihm egal wie hoch das Zeug lag.
    Das Wohnhaus stand zwar direkt an der Straße, auch das kleine Nebengebäude mit den Ferienwohnungen, aber das Grundstück selbst konnte beim besten Willen nicht als flacher Acker angesehen werden. Ein gewisser Prozentsatz der Fläche besaß eine Hanglage, die dort endete, wo die Scheune und der Schuppen standen, wobei der Schuppen als Pferdestall diente.
    Es war eine dieser wunderbaren, klaren Nächte, wie sie oft nur der Winter hervorbringt. Die Temperaturen bewegten sich im Minusbereich. Sie waren in den letzten beiden Stunden stark gefallen, sorgten für Frost auf der Oberfläche des Schnees und ließen ihn glitzern, als wäre er mit unzähligen Diamanten bestreut.
    Der Himmel über dem südlichen Allgäu zeigte eine Glätte und eine dunkle Bläue, die ebenfalls einmalig waren. Das Heer der Sterne schien mit den Schneekristallen um die Wette funkeln zu wollen, wobei der unförmige Mond ebenfalls strahlte.
    Ein winterliches Bild, das man einfach genießen musste. An dem man sich nur schwerlich satt sehen konnte.
    Dafür hatte Vinzenz Schwaiger keinen Blick. Er kannte diese Winternächte. Es war schon lange kalt gewesen, und die Einheimischen sehnten den Frühling herbei.
    Kurz vor dem Erreichen der Anhöhe blieb er stehen und schaute sich um. Er sah die Straße, die vom Tal her hoch führte. In der Dunkelheit konnte er sie nur deshalb verfolgen, weil hin und wieder rechts und links der Fahrbahn Häuser standen, deren Außenlichter den Weg markierten. Von der Bundesstraße her wand sich die Fahrbahn hoch, und im nahen Tal selbst schimmerten die Lichter von Fischen, einem kleinen Ort in greifbarer Nähe zu Oberstdorf.
    In der Nacht war der Verkehr auf der viel befahrenen Bundesstraße fast eingeschlafen. Nur hin und wieder bewegte sich das kalte Licht eines Scheinwerferpaars durch das Dunkel wie eine nach unten gefallene Sternschnuppe.
    Das war die eine Seite des Blicks. Schwaiger konnte auch dem Verlauf der Straße folgen, die sich über die Höhen wand, zwischen mit Schnee bedeckten Hügeln und Flächen weiterführte zu den anderen kleinen Ferienorten, die recht abgeschieden lagen und in denen die Urlauber ihre Ruhe hatten.
    Es war eine herrliche Welt. So klar, so kalt. Etwas für Maler und Romantiker und trotz der tiefen Temperaturen ideal für einen nächtlichen Spaziergang, denn der Wind war völlig eingeschlafen.
    Selbst hier auf der Höhe war er nicht zu spüren.
    Aber die Ruhe war gestört worden. Vinzenz Schwaiger hatte nicht grundlos das Haus verlassen. Er wollte nach seinen Tieren schauen. Die beiden Pferde hatten in den vergangenen Nächten gewiehert und fast schon geschrien, als wären sie einer großen Gefahr begegnet. Am Morgen hatte er nachgeschaut und einige Spuren entdeckt. Den Pferden hatte man nichts getan, aber es war eingebrochen worden, das hatte er schon gesehen.
    Schwaiger wollte, dass dies nicht noch mal passierte, wenn er nicht dabei war. Und so hatte er sich entschlossen, den Stall schon früher zu betreten.
    Seiner Frau hatte er nichts zu sagen brauchen. Sie war zum Sohn und den beiden Enkeln nach München gefahren, und so konnte der Bauer tun und lassen, was er wollte.
    Er gab noch immer als Beruf Bauer an, obwohl das längst nicht mehr zutraf. Er vermietete jetzt Kutschen für Schlitten- und Pferdefahrten, die ihre Plätze in der großen Scheune gefunden hatten. Das war okay, damit verdiente er sein Geld, und außerdem handelte er mit Pferden. Im nächsten Jahr wollte er damit wieder beginnen. Sie aufziehen und anschließend verkaufen.
    Die beiden alten Zossen, die jetzt noch im Stall standen, bekamen gewissermaßen ihr Gnadenbrot. Ab und zu durften sie noch mal auf die Piste, dann zogen sie eine Kutsche, die mit Kindern gefüllt war. Das hatten sie über all die Jahre getan.
    Schwaiger ließ noch einmal seinen Blick über die Landschaft gleiten, ohne etwas zu entdecken, das ihm verdächtig vorgekommen wäre. Dann drehte er sich um und stampfte
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