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Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit

Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit

Titel: Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit
Autoren: Michael Crichton
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haben ihn nicht mit dem Auto angefahren?«
    »Offensichtlich nicht. Aber komisch ist es schon. Sie sagten, sie hätten ihn nördlich des Corazon Canyon aufgelesen. Aber in zwanzig Kilometer Umkreis ist da rein gar nichts.«
    »Und?«
    »Der Kerl hat absolut keine Expositionssymptome. Keine Dehydration, keine Ketose. Er hat nicht einmal Sonnenbrand.«
    »Glauben Sie, daß ihn jemand ausgesetzt hat? Jemand, der keine Lust mehr hatte, daß Opa dauernd mit der Fernbedienung rumspielt?«
    »Ja, das nehme ich an.«
    »Und was ist mit seinen Fingern?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Er hat irgendwie ein Durchblutungsproblem. Seine Fingerspitzen sind kalt und stark gerötet, es könnten sich Gangräne entwickeln. Aber was es auch ist, es hat sich verschlimmert, seit er im Krankenhaus ist.«
    »Ist er Diabetiker?«
    »Nein.«
    »Raynaud-Syndrom?«
    »Nein.«
    Nieto stellte sich ans Bett und betrachtete die Finger. »Nur
    die Fingerspitzen sind betroffen. Die Schädigung ist rein distal.«
    »Genau«, entgegnete sie. »Wenn man ihn nicht in der Wüste gefunden hätte, würde ich sagen, das sind Erfrierungen.«
    »Haben Sie ihn auf Schwermetalle untersucht, Bev? Das könnte nämlich eine Schwermetallvergiftung sein. Kadmium oder Arsen. Das würde die Finger erklären und auch seine Demenz.«
    »Ich habe ihm Blutproben abgenommen. Aber Schwermetalltests werden nur in der Uniklinik in Albuquerque gemacht. Die Ergebnisse bekomme ich erst nach zweiundsiebzig Stunden.«
    »Haben Sie eine Identifizierung, eine Krankengeschichte, sonst irgendwas?«
    »Nichts. Wir haben eine Vermißtenanzeige rausgegeben, und wir haben seine Fingerabdrücke für einen Datenbankcheck nach Washington geschickt, aber das kann eine Woche dauern.«
    Nieto nickte. »Und dieses erregte Geplapper? Was hat er gesagt?«
    »Das war alles in Reimen, immer wieder dasselbe. Irgendwas über Gordon und Stanley. Und dann sagte er: ›Quondam-Raum macht mich schaun.‹«
    »Quondam? Ist das nicht Lateinisch?«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Ist schon eine Weile her, daß ich in der Kirche war.«
    »Ich glaube, quondam ist ein lateinisches Wort«, wiederholte Nieto.
    Plötzlich hörten sie eine fremde Stimme. »Entschuldigung?« Es war der bebrillte Junge, der, seine Mutter neben sich, im Bett gegenüber saß.
    »Wir warten noch immer auf den Chirurgen, Kevin«, entgegnete Beverly. »Wenn er kommt, richten wir deinen Arm ein.«
    »Er hat nicht ›Quondam-Raum‹ gesagt«, bemerkte der Junge.
    »Er hat ›Quantenschaum‹ gesagt.«
    »Was?«
    »Quantenschaum. Er hat ›Quantenschaum‹ gesagt.«
    Sie gingen zu ihm. Nieto schien belustigt. »Und was genau
    ist Quantenschaum?«
    Der Junge blinzelte hinter seiner Brille und sah sie ernst an. »In sehr kleinen, subatomaren Dimensionen ist die Struktur der Raumzeit unregelmäßig. Sie ist nicht glatt, sondern irgendwie blasenförmig und schaumig. Und weil das ganz unten auf der  Quantenebene ist, nennt man das Quantenschaum.«
    »Wie alt bist du?« fragte Nieto.
    »Elf.«
    Seine Mutter sagte: »Er liest sehr viel. Sein Vater arbeitet in  Los Alamos.«
    Nieto nickte. »Und was ist der Sinn von diesem Quantenschaum?«
    »Da gibt's keinen Sinn«, erwiderte der Junge. »Das Universum ist einfach so beschaffen, auf der subatomaren Ebene.«
    »Und warum sollte dieser alte Knabe gerade darüber reden?«
    »Weil er ein bekannter Physiker ist«, sagte Wauneka, der eben ins Zimmer trat. Er sah auf ein Blatt Papier in seiner Hand. »Das ist eben auf die Vermißtenmeldung reingekommen. Joseph  A. Traub, einundsiebzig Jahre alt, Werkstoffphysiker. Spezialist für supraleitende Metalle. Als abgängig gemeldet von seinem Arbeitgeber, ITC Research in Black Rock, heute gegen Mittag.«
    »Black Rock? Das ist doch in der Gegend von Sandia.« Der Ort lag mehrere Stunden entfernt, mitten in New Mexico. »Wie zum Teufel ist der Kerl zum Corazon Canyon in Arizona gekommen?«
    »Keine Ahnung«, sagte Beverly. »Aber er ist –«
    In diesem Augenblick ging der Alarm los.
    Es passierte mit einer Geschwindigkeit, die Jimmy Wauneka verblüffte. Der alte Mann hob den Kopf vom Kissen, starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an und spuckte dann Blut. Die Sauerstoffmaske färbte sich grell rot; Blut quoll seitlich aus der Maske heraus, lief ihm über Wangen und Kinn und befleckte Kissen und Wand. Ein gurgelndes Geräusch drang aus seiner Kehle: Er ertrank in seinem eigenen Blut.
    Beverly stürzte bereits durchs Zimmer. Wauneka rannte hinter ihr
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