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Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit

Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit

Titel: Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit
Autoren: Michael Crichton
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bildeten sich über der Wüste Gewitterwolken. Doch die zwölf Mitglieder des ITC-Aufsichtsrats interessierten sich nicht für den Ausblick. Sie tranken Kaffee an einem Nebentisch, unterhielten sich und warteten auf den Beginn der Konferenz. Ratssitzungen dauerten immer bis tief in die Nacht, weil der Präsident von ITC, Robert Doniger, an chronischer Schlaflosigkeit litt und sie deshalb so legte. Es war ein Tribut an Donigers Brillanz, daß die Aufsichtsratsmitglieder, alles Topmanager und risikobereite Großinvestoren, dennoch kamen.
    An diesem Nachmittag war Doniger noch nicht erschienen. John Gordon, Donigers stämmiger Vizepräsident, glaubte zu wissen, warum. Sein Handy am Ohr, ging er nun langsam auf die Tür zu. Gordon war früher Projektleiter bei der Air Force gewesen, und er hatte noch immer ein militärisches Auftreten. Sein blauer Geschäftsanzug war frisch gebügelt, und seine schwarzen Schuhe glänzten. »Verstehe, Officer«, sagte er in sein Handy und schlüpfte zur Tür hinaus.
    Wie Gordon vermutet hatte, marschierte Doniger wie ein hyperaktives Kind draußen im Korridor auf und ab, während Diane Kramer, die Leiterin der Rechtsabteilung von ITC, an der Wand stand und ihm zuhörte. Gordon sah Doniger wütend mit dem Finger nach ihr stechen. Ganz offensichtlich machte er ihr die Hölle heiß.
    Robert Doniger war achtunddreißig Jahre alt, ein brillanter Physiker und Milliardär. Trotz Schmerbauch und grauen Haaren hatte er noch immer etwas Jugendliches an sich – oder Pubertäres, je nachdem, mit wem man sprach. Auf jeden Fall hatte das Alter ihn nicht sanfter gemacht. ITC war die dritte Firma, die er gegründet hatte; die ersten beiden hatten ihn reich gemacht, aber sein Führungsstil war so zynisch und gemein wie eh und je. Fast jeder in der Firma hatte Angst vor ihm.
    Dem Aufsichtsrat zuliebe trug Doniger einen blauen Anzug und nicht wie sonst Khakihose und Sweatshirt. Aber er fühlte sich offensichtlich nicht wohl in dem Anzug, wie ein Junge, den die Eltern gezwungen hatten, sich herauszuputzen.
    »Nun, vielen Dank, Officer Wauneka«, sagte Gordon in das Handy. »Wir kümmern uns um alles. Ja. Wir erledigen das sofort. Noch einmal vielen Dank.« Gordon klappte das Handy zu und wandte sich an Doniger. »Traub ist tot, sie haben seine Leiche identifiziert.«
    »Wo?«
    »In Gallup. Das war eben ein Polizist, der aus der  Notaufnahme angerufen hat.«
    »Was glauben sie, woran er starb?«
    »Sie wissen es nicht. Sie tippen auf Herzstillstand. Aber da  gab's ein Problem mit seinen Fingern. Ein Durchblutungsproblem. Man wird eine Autopsie durchführen. Das ist gesetzlich vorgeschrieben.«
    Doniger tat es mit einer unwirschen Handbewegung ab. »Na und? Die Autopsie wird nichts ergeben. Traub hatte Transkriptionsfehler. Da kommen die nie drauf. Warum vergeudest du meine Zeit mit diesem Blödsinn?«
    »Einer unserer Angestellten ist eben gestorben, Bob«, sagte Gordon.
    »Stimmt«, erwiderte Doniger kalt. »Und weißt du was? Dagegen kann ich verdammt noch mal nichts machen. Es tut mir leid. Oje, oje. Schick ein paar Blumen. Erledige es einfach, okay?«
    In Augenblicken wie diesem atmete Gordon immer tief durch und erinnerte sich daran, daß Doniger nicht anders war als die meisten ehrgeizigen jungen Unternehmer. Er erinnerte sich daran, daß Doniger hinter seinem Sarkasmus fast immer recht hatte. Und er erinnerte sich daran, daß Doniger sich sein ganzes Leben lang so verhalten hatte.
    Bei Robert Doniger hatten sich schon früh erste Anzeichen von Genialität gezeigt. Bereits in der Grundschule verschlang er technische Fachbücher. Und als er neun war, konnte er jedes elektronische Gerät – ob Radio oder Fernseher – reparieren; er spielte einfach so lange mit den Röhren und Drähten herum, bis es wieder funktionierte. Als seine Mutter sich sorgte, er könne sich mit einem Stromschlag töten, erwiderte er nur: »Mach dich doch nicht lächerlich.« Und als seine geliebte Großmutter starb, informierte ein tränenloser Doniger seine Mutter, daß die alte Dame ihm noch siebenundzwanzig Dollar schulde und er nun von ihr die Rückzahlung erwarte.
    Nachdem er mit achtzehn in Stanford summa cum laude in Physik promoviert hatte, ging er zu FermiLab in der Nähe von Chicago. Nach sechs Monaten kündigte er wieder und sagte dem Direktor des Labors, daß »Elementarteilchenphysik nur etwas für Wichser« sei. Er kehrte nach Stanford zurück, um dort in einem Bereich zu arbeiten, der ihm vielversprechender
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