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Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit

Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit

Titel: Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit
Autoren: Michael Crichton
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Unterlagen in einer Plastiktüte unter dem Arm. Chris lief um das Auto herum, öffnete Kate die Tür und half ihr heraus. Sie kletterten über eine niedrige Steinmauer und stiegen zur Burg hoch.
    Die Ruine war mächtiger, als sie von der Straße aus ausgesehen hatte; hohe Steinmauern, dunkel vom Regen. Dächer und Decken gab es keine mehr, die Räume waren zum Himmel hin offen. Keiner sagte etwas, während sie durch die Anlage gingen. Sie sahen keine Hinweisschilder, keine Erklärungstafeln, nichts, was darauf hindeutete, was dieser Ort gewesen war, nicht einmal auf seinen Namen. Schließlich fragte Kate: »Wo ist sie?«
    »Die Kapelle? Da drüben.«
    Sie gingen um eine hohe Mauer herum und standen vor einer erstaunlich gut erhaltenen Kapelle mit einem Dach, das  irgendwann in der Vergangenheit restauriert worden war. Die Fenster waren nur offene Bögen in der Mauer, ohne Glas. Eine Tür gab es nicht, nur einen offenen Torbogen.
    Im Innern blies der Wind durch Ritzen und Fensteröffnungen. Wasser tropfte vom Dachstuhl. Johnston zog eine große Taschenlampe heraus und leuchtete die Wände ab.
    Chris fragte: »Wie bist du überhaupt auf diesen Ort gestoßen, Elsie?«
    »Natürlich bei meinen Recherchen in den alten Dokumenten«, sagte sie. »In den Troyes-Archiven gab es einen Hinweis auf einen wohlhabenden englischen Briganten namens Andréw d'Eltham, der in seinen späteren Jahren dem Kloster von Sainte-Mere einen Besuch abstattete. Er brachte seine ganze Familie aus England mit, seine Frau und seine erwachsenen Söhne. Das hat mich dazu gebracht, weiterzusuchen.«
    »Hier«, sagte Johnston und richtete den Strahl seiner Lampe auf den Boden.
    Sie traten zu ihm.
    Abgebrochene Äste und eine Schicht feuchten Laubs bedeckte den Boden. Johnston hatte sich hingekniet und wischte alles weg. Zwei verwitterte, in den Boden eingelassene Grabplatten kamen zum Vorschein. Chris hielt den Atem an, als er die erste sah. Eine Frau war darauf dargestellt, in züchtigen langen Gewändern, auf dem Rücken liegend. Es war unverkennbar Lady Claire. Im Gegensatz zu vielen solcher Grabplatten war Claire hier mit offenen Augen dargestellt, die den Betrachter unverhüllt anstarrten.
    »Noch immer schön«, sagte Kate, den Rücken durchgedrückt, die Hand in die Seite gestemmt.
    »Ja«, sagte Johnston. »Noch immer schön.«
    Nun legten sie die zweite Grabplatte frei. Neben Lady Claire sahen sie André Marek liegen. Auch er hatte die Augen offen.
    Marek sah älter aus, mit einer Furche auf einer Gesichtshälfte, die eine Altersfalte sein konnte oder eine Narbe.
    Elsie sagte: »Den Dokumenten zufolge geleitete Andréw Lady Claire von Frankreich nach England und heiratete sie später. Er scherte sich nicht um die Gerüchte, daß Claire ihren ersten Gatten ermordet habe. Nach allen Berichten liebte er seine Frau sehr. Sie hatten fünf Söhne und waren ihr ganzes gemeinsames Leben lang unzertrennlich. Im Alter«, sagte Elsie, »verlegte der alte Kämpe sich auf ein geruhsames Leben und widmete sich seinen Enkeln. Andréws letzte Worte waren: ›Ich habe ein gutes Leben gewählt.‹ Er wurde im Juni 1382 in der Familienkapelle begraben.«
    »Dreizehnzweiundachtzig«, sagte Chris. »Er wurde also vierundfünfzig.«
    Johnston wischte den Rest des Steins sauber. Sie sahen Mareks Schild: ein stolzierender englischer Löwe in einem Feld französischer Lilien. Über dem Schild standen französische Worte.
    Elsie las vor: »Sein Familienmotto, in Anlehnung an Richard Löwenherz, steht über dem Wappenschild: ›Mes compagnons: cui jamoie et cui j'aim … Me dii, chanson.‹ Sie hielt inne und übersetzte dann: ›Gefährten, die ich liebte und die ich noch immer liebe… Sag ihnen, mein Lied.‹«
    Lange starrten sie Andrés Bildnis schweigend an.
    Johnston strich mit den Fingern über die steinernen Umrisse von Mareks Gesicht. »Nun ja«, sagte er schließlich, »wenigstens  wissen wir, was passiert ist.«
    »Glaubst du, daß er glücklich war?« fragte Chris.
    »Ja«, antwortete Johnston. Aber er dachte, wie sehr Marek diese Welt auch geliebt haben mochte, ganz die seine konnte sie wohl nie gewesen sein. Nicht wirklich. Er mußte sich immer wie ein Fremder vorgekommen sein, isoliert von seiner Umgebung, weil er aus einer anderen Zeit gekommen war.
    Der Wind heulte. Ein paar Blätter wehten über den Boden. Die Luft war feucht und kalt. Sie standen stumm da.
    »Ich frage mich, ob er je an uns dachte«, sagte Chris und betrachtete das steinerne
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