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Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit

Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit

Titel: Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit
Autoren: Michael Crichton
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sich über ihn, um ihn genauer anzusehen. Aus den Augenwinkeln liefen Schlieren hellroten Bluts. Anscheinend hat er einen Schlag auf den Kopf bekommen, dachte er. Nun wandte er sich der Stadt selbst zu. Der Rauch, das sah er jetzt, kam aus kleinen Töpfen, die überall herumstanden, auf dem Boden, auf Mauern, auf Zaunpfosten. Und die Stadt wirkte verlassen, menschenleer lag sie im hellen Sonnenlicht. Nur Dinge lagen und standen herum, Werkzeuge, Karren, Fässer,
    Bündel mit Waren und Lebensmitteln, doch nirgendwo war eine Menschenseele zu sehen. Er ging zum Markt, auch dort war niemand. Die Stände waren leer, nur hier und dort lagen vertrocknete Gemüsereste. Dann hörte er den Gesang von Mönchen; sie kamen auf ihn zu. Und wieder hörte er die Trommel.
    Ein Schauder überlief ihn.
    Ein Dutzend Mönche, alle in Schwarz, bog in einer Art Prozession singend um die Ecke. Die Hälfte von ihnen war bis zur Taille nackt und schlug sich selbst mit metallbesetzten  Peitschen. Schultern und Rücken bluteten heftig.
    Flagellanten.
    Ja, das waren sie, Flagellanten. Doniger stöhnte leise auf und wich vor den Mönchen zurück, die gemessenen Schritts an ihm vorbeizogen, ohne ihn zu beachten. Er wich weiter zurück und immer weiter, bis er gegen etwas Hölzernes stieß.
    Als er sich umdrehte, sah er einen hölzernen Pferdekarren, aber kein Pferd. Auf dem Karren stapelten sich mehrere Kleiderbündel. Dann sah er einen Kinderfuß aus einem der Bündel herausragen. Und aus einem anderen einen Frauenarm. Das Summen von Fliegen war sehr laut. Eine Wolke von Fliegen, die über den Leichen schwirrte.
    Doniger fing an zu zittern.
    Der Arm zeigte schwärzliche Beulen.
    Der Schwarze Tod.
    Er wußte jetzt, welches Jahr es war. 1348. Das Jahr, als die Pest über Castelgard kam und ein Drittel der Bevölkerung tötete. Und er wußte, wie sie sich verbreitete — durch Flohbisse, durch Berührung und durch die Luft. Schon das Atmen konnte einen Menschen töten. Er wußte, daß die Pest schnell töten konnte, daß die Leute einfach auf der Straße umfielen. Im ersten  Augenblick fühlte man sich noch völlig gesund. Und dann fing es an mit Husten und Kopfweh. Eine Stunde später war man tot.
    Er war dem Soldaten am Tor sehr nahe gekommen. Nahe an sein Gesicht.
    Sehr nahe.
    Doniger ließ sich an einer Mauer zu Boden sinken und spürte, wie er vor Entsetzen erstarrte.
    Und wie er so dasaß, fing er an zu husten.

Epilog
    Regen fegte über die graue englische Landschaft. Die Scheibenwischer tickten hin und her. Edward Johnston saß vorgebeugt auf dem Fahrersitz, um durch den Regen etwas erkennen zu können. Draußen erstreckten sich flache, dunkelgrüne Hügel, unterteilt von dunklen Hecken, doch alles verschwamm in Regenschleiern. Die letzte Farm lag schon einige Kilometer hinter ihnen.
    Johnston fragte: »Elsie, bist du sicher, daß das die richtige Straße ist?«
    »Absolut«, sagte Elsie Kastner, die die Karte auf dem Schoß hatte. Sie fuhr die Route mit dem Finger nach. »Sechs Kilometer hinter Cheatham Cross nach Bishop's Vale abbiegen, und nach eineinhalb Kilometern müßte es da rechts oben liegen.«
    Sie deutete auf einen Hügel mit vereinzelten Eichen.
    »Ich sehe überhaupt nichts«, sagte Chris vom Rücksitz her.
    Kate sagte: »Ist die Klimaanlage an? Mir ist heiß.« Sie war im siebten Monat schwanger, und ihr war die ganze Zeit heiß.
    »Ja, sie ist an«, sagte Johnston.
    »Bis zum Anschlag?«
    Chris strich ihr beruhigend übers Knie.
    Johnston fuhr langsam und suchte nach einem Hinweisschild am Straßenrand. Der Regen ließ etwas nach, die Sicht wurde besser. Und dann sagte Elsie: »Dort!«
    Auf der Kuppe des Hügels war ein dunkles Rechteck mit bröckelnden Mauern zu erkennen.
    »Das soll es sein?«
    »Das ist Eltham Castle«, sagte sie. »Oder was davon übrig ist.« Johnston fuhr an den Straßenrand und stellte den Motor ab. EIsie las aus ihrem Führer vor: »… An dieser Stelle errichtet von John d'Eltham im elften Jahrhundert, mit verschiedenen Ergänzungen und Umbauten aus späterer Zeit. Bemerkenswert ist vor allem die Ruine des Hauptturms aus dem zwölften Jahrhundert und eine Kapelle im englischen gotischen Stil aus dem vierzehnten. Ohne Bezug zu Eltham Castle in London, das aus einer späteren Zeit stammt.«
    Der Regen hatte fast ganz aufgehört, der Wind trug nur noch vereinzelte Tropfen heran. Johnston öffnete die Fahrertür, stieg aus und zog sich seinen Regenmantel über. Elsie stieg auf ihrer Seite aus, ihre
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