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Das Flüstern der Toten (German Edition)

Das Flüstern der Toten (German Edition)

Titel: Das Flüstern der Toten (German Edition)
Autoren: Darynda Jones
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    Besser Tote sehen, als tot sein
    – Charlotte Jean Davidson, Schnitterin
    Seit Monaten hatte ich immer wieder denselben Traum – den, wo ein dunkler Fremder aus Rauch und Schatten materialisierte, um mit mir Doktor zu spielen. Ich begann mich bereits zu fragen, ob das wiederholte Erleben n--ächtlicher Halluzinationen, die in erdbebenhaften Höhepunkten gipfeln, langfristig irgendwelche Nebenwirkungen zeitigen könnte. Ich machte mir ernsthaft Sorgen, dass die extremen Lustgefühle schließlich zum Tode führten. Eine Aussicht, die mich vor folgendes Dilemma stellte: Wende ich mich an jemanden, der etwas davon versteht, oder behelfe ich mich vorläufig mit Alkohol?
    Diese Nacht bildete keine Ausnahme. Ich hatte einen umwerfenden Traum, in dem ein Paar kundiger Hände, ein heißer Mund sowie einfallsreich eingesetzte Lederhosen vorkamen, aus dem mich jedoch zw-ei äußere Mächte fortzulocken versuchten. Ich setzte mich mit aller Kraft dagegen zur Wehr, doch die äußeren Mächte erwiesen sich als ziemlich hartnäckig. Zuerst kroch Eiseskälte in meine Füße, eine klirrend kalte Liebkosung, die mich aus meinem heißen Traum riss. Ich erschauerte und trat aus, weil ich dem Ruf keineswegs nachgeben wollte, dann schob ich mein Bein in die dicken Falten meiner Bugs-Bunny-Bettwäsche.
    Darauf begann am Rand meines Bewusstseins leise, aber unnachgiebig eine Melodie zu dudeln, wie ein Lied, das ich kannte, aber nicht zuordnen konnte. Einen Moment später ging mir auf, dass es sich um das Grillenzirpen meines neuen Telefons handelte.
    Schwer seufzend öffnete ich meine Augen gerade so weit, dass ich die Leuchtziffern über dem Nachttisch erkennen konnte. Vier Uhr vierunddreißig morgens. Welcher Sadist rief einen um vier Uhr vierunddreißig morgens an?
    Am Fuß meines Bettes räusperte sich jemand. Ich richtete mein Augenmerk auf den Toten, der da stand, dann senkte ich die Lider und fragte mit todernster Stimme: »Kannst du rangehen?«
    Er zögerte. »Äh, ans Telefon?«
    »Hmm.«
    »Na ja, ich bin irgendwie – «
    »Macht nichts.« Ich langte nach dem Telefon und verzog das Gesicht, als mich Schmerz durchzuckte und mich daran erinnerte, dass ich am Abend vorher nach Strich und Faden vermöbelt worden war.
    Wieder räusperte sich der Tote.
    »Hallo?«, krächzte ich.
    Mein Onkel Bob. Er schwallte sofort drauflos, ausgerechnet, ohne auf die Idee zu kommen, dass ich in den frühen Morgenstunden noch zu keinem klaren Gedanken fähig war. Ich konzentrierte mich darauf, mich zu konzentrieren, und nahm drei hervorstechende Wortverbindungen auf: anstrengende Nacht, zwei Todesopfer, hier ist die Kacke am Dampfen . Ich bekam sogar eine Antwort hin, so was wie: »Wie bist du denn drauf?«
    Er seufzte hörbar verärgert, dann legte er auf.
    Ich tat’s ihm gleich und drückte eine Taste an meinem neuen Telefon, die entweder die aktuelle Verbindung unterbrach oder die Kurzwahl des Chinaimbisses um die Ecke betätigte. Dann versuchte ich mich aufzusetzen. Genau wie bei der Sache mit den klaren Gedanken war das leichter gedacht als getan. Obwohl ich normalerweise so um die einhundertfünfundzwanzig Pfund wog, brachte ich in den Stunden zwischen halb wach und ganz wach stolze vierhundertsiebzig auf die Waage.
    Doch nach kurzem, an einen gestrandeten Wal gemahnenden Kampf gab ich es auf. Das Viertel Chunky Monkey, das ich nach der Tracht Prügel verdrückt hatte, war vermutlich keine gute Idee gewesen.
    Da die Schmerzen zu groß waren, als dass ich mich recken wollte, gähnte ich einmal herzhaft und sah dann wieder den Toten am Fußende an. Er machte einen verschwommenen Eindruck. Was nicht daran lag, dass er tot war, sondern daran, dass es erst vier Uhr vierunddreißig war. Und daran, dass ich kürzlich verdroschen worden war.
    »Hi«, sagte er nervös. Mit seinem knittrigen Anzug, der runden Brille und den zerzausten Haaren sah er halb nach allseits beliebtem, jungen Genie und halb nach verrücktem Wissenschaftler aus. Allerdings zierten seinen Schädel zwei Einschusslöcher, aus denen Blut über die rechte Schläfe und Wange sickerte. Aber nichts davon stellte ein Problem dar. Das Problem bestand darin, dass er sich in meinem Schlafzimmer aufhielt. In den frühen Morgenstunden. Und an meinem Bett stand wie ein Spanner.
    Ich beäugte ihn mit meinem berüchtigten Mörderblick, der direkt nach meinem berüchtigten Irritierblick kam, und erzielte prompt eine Reaktion.
    »Tut mir leid, tut mir leid«, haspelte er, »ich wollte Ihnen
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