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Das Flüstern der Toten (German Edition)

Das Flüstern der Toten (German Edition)

Titel: Das Flüstern der Toten (German Edition)
Autoren: Darynda Jones
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schon bei so vielen seiner Vorgänger gesehen hatte und der besagte, dass ich, da ich Tote sehen konnte, das doch eigentlich alles wissen müsste. Auch ihn würde ich nun furchtbar enttäuschen.
    »Sie werden es sehr schwer nehmen, oder?«, fragte er. Es überraschte mich, welche Richtung seine Gedanken einschlugen.
    »Ja, das werden sie«, antwortete ich aufrichtig. »Ihre Frau wird sich die Augen ausweinen und durch ein schrecklich tiefes Tal gehen. Dann wird sie Kräfte mobilisieren, von denen sie nicht mal wusste, dass sie sie hat.« Ich sah ihn unverwandt an. »Sie wird weiterleben. Für die Mädchen.«
    Das schien ihn fürs Erste zu beruhigen. Jedenfalls nickte er und blickte aus dem Seitenfenster. Die restliche Fahrt in die Stadt absolvierten wir schweigend, womit ich unerwünschte Zeit fand, weiter über meinen Traummann nachzudenken. Wenn ich mich nicht irrte, war sein Name Reyes. Allerdings hatte ich keine Ahnung, ob Reyes sein Vor- oder Zuname war, wo er herkam oder wo er sich jetzt aufhielt, genau genommen wusste ich überhaupt nichts über ihn. Außer dass sein Name Reyes war und dass er fantastisch aussah. Unglücklicherweise war er jedoch auch ein gefährlicher Typ. Ich hatte ihn nur ein Mal gesehen, und das lag schon Jahre zurück, wir waren damals beide noch Teenager gewesen. Unsere einzige Begegnung war von Drohungen und Erregung bestimmt gewesen, und er war mir mit den Lippen so nahe gekommen, dass ich sie fast schmecken konnte. Dann hatte ich ihn nie wieder gesehen.
    »Wir sind da«, riss Sussman mich aus meinen Gedanken.
    Er hatte den Tatort ein paar Blocks weiter ausgemacht. Rot- und Blaulicht flackerte über Hauswände, erhellte pulsierend den rabenschwarzen Morgen. Die für die Ermittler aufgestellten Scheinwerfer tauchten das halbe Stadtviertel in grelles Licht. Als wäre an dieser Stelle bereits die Sonne aufgegangen. Ich entdeckte Onkel Bobs SUV und steuerte einen Hotelparkplatz ganz in der Nähe an.
    Bevor wir ausstiegen, wandte ich mich an Sussman: »Haben Sie in meiner Wohnung zufällig jemanden gesehen?«
    »Sie meinen, außer Mr Wong?«
    »Ja. Zum Beispiel einen Mann?«
    »Nein. War denn noch jemand da?«
    »Nee, vergessen Sie’s.«
    Ich musste noch rauskriegen, wie Reyes das in der Dusche angestellt hatte. Wenn ich nicht die unheimliche Fähigkeit besaß, im Stehen zu schlafen, hatte er mehr drauf, als mir im Traum zu erscheinen.
    Nachdem ich ausgestiegen und Sussman mehr oder weniger aus dem Wagen gefallen war, hielt ich Ausschau nach Onkel Bob. Er stand etwa vierzig Meter weit weg, von einem Scheinwerfer in unheimliches Licht getaucht, und empfing mich mit dem bösen Blick. Dabei ist er nicht mal Italiener. Ich weiß nicht, ob das legal ist.
    Onkel Bob, oder Ubie, wie ich ihn gerne nenne – allerdings nur selten in seinem Beisein – , ist der Bruder meines Vaters und arbeitet bei der Polizei von Albuquerque. Muss wohl so was wie Lebenslänglich bekommen haben, denn auch mein Vater ist bei den Bullen gewesen, hat aber vor Jahren schon den Dienst quittiert und eine Bar an der Central aufgemacht. Das Haus, in dem ich wohne, schließt sich direkt daran an. Manchmal verdiene ich mir was dazu, indem ich mich hinter den Tresen stelle und meine aktuelle Beschäftigungsrate auf drei Tage pro Woche erhöhe. Wenn ich Klienten habe, bin ich Privatdetektivin, wenn mein Vater mich braucht, stehe ich hinterm Tresen, und auf der Gehaltsliste der Polizei von Albuquerque stehe ich auch noch. Auf dem Papier als Beraterin. Vermutlich weil sich das wichtig anhört. In Wahrheit sorge ich für Onkel Bobs Erfolge, wie schon für meinen Vater, als der noch beim APD war. Meine Fähigkeit hat ihnen eine Beförderung nach der anderen eingebracht, bis sie es zum Detective gebracht hatten. Erstaunlich, wie schnell ein Verbrechen aufgeklärt ist, wenn man das Opfer fragen kann, wer’s war.
    Der Rest der Woche ist meiner glanzvollen Tätigkeit als Schnitterin gewidmet. Obwohl dafür sehr viel Zeit draufgeht, trägt dieser Teil meines Berufslebens keine materiellen Früchte. Ich bin mir deshalb immer noch nicht sicher, ob ich darin überhaupt einen Beruf sehen soll.
    In etwa um halb sechs huschten wir unter dem Absperrband hindurch. Onkel Bob war stinksauer, der Schlag hatte ihn überraschenderweise aber noch nicht getroffen.
    »Es ist fast sechs«, sagte er und tippte auf seine Uhr.
    Das würde mir eine Lehre sein.
    Er trug noch denselben braunen Anzug wie am Vortag, war aber frisch rasiert, der Schnurrbart
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