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Eine ungezaehmte Lady

Titel: Eine ungezaehmte Lady
Autoren: Jane Archer
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1883, Delaware Bend, Texas
    »Sie kennt keine Gnade, sie kennt kein Gesetz, die Lady mit dem Colt.« Deputy U.S. Marshal Rafe Morgan saß an einem zerschrammten Tisch. Sein Whiskeyglas setzte allmählich Staub an, während er der nah und fern bekannten Sängerin lauschte, die einfach nur als »Lady« angekündigt worden war. Sie war eine atemberaubende Schönheit, eine Herzensbrecherin. Und ihr Name stand ganz oben auf seiner Fahndungsliste.
    Ladys samtweiche Stimme weckte geheime Sehnsüchte, spielte, lockte und verhieß die Erfüllung aller Träume im silbernen Mondschein. Auf ihrer Gitarre zupfend, stand sie da und schlug ihre Zuhörer in ihren Bann. Als sie mit einem koketten Lächeln den Fuß auf die Sprosse des Stuhls neben sich stellte, kamen weiße Spitzenunterröcke und wohlgeformte Beine in schwarzen Netzstrümpfen in Sicht.
    Rafe schüttelte den Kopf, fest entschlossen, sich nicht von ihrem Zauber einwickeln zu lassen. Dennoch fühlte er sich wie jeder andere gesunde Mann im Saloon: eher wie ein Sünder als wie ein Heiliger.
    Das scharlachrote Kleid betonte ihr rotbraunes Haar und die goldene Haut und schmiegte sich aufreizend an ihre kurvenreiche Figur. Es wurde gemunkelt, dass sie Indianerblut in den Adern hatte, vielleicht die Erklärung dafür, warum es ihr immer wieder gelang zu entwischen. In ihren großen Augen konnte ein Mann versinken. Den Verstand verlieren und auch sonst alles, was er besaß. Viele Männer wären bereit gewesen, diesen Preis zu bezahlen. Rafe war keiner von ihnen.
    Denn Rafe hatte einen Haftbefehl in der Tasche, auf dem Ladys Name stand. Richter Parker und Marshal Boles, zuständig für das westliche Arkansas, zu dem auch das Indian Territory gehörte, forderten Ladys Ergreifung. Tot oder lebendig.
    Er hatte sie bis nach Bend verfolgt, eine Stadt am Ufer des Red River, das Texas zugeordnet wurde. Es war ein gefährliches Pflaster, denn es wimmelte von zwielichtigen Gestalten, die sich hier ihr eigenes kleines Paradies eingerichtet hatten, um nach Herzenslust dem Glücksspiel, dem Whiskey und dem Lotterleben zu frönen. Sollte ein Texas Ranger dennoch die Kühnheit besitzen, sich hier zu zeigen, flüchteten die Banditen sich einfach nach Norden auf die andere Seite des Red River, wo indianisches Recht ausschließlich für Indianer galt, während die Marshals sich an das Bundesgesetz halten mussten. Obwohl Rafe und seine Mitstreiter ihr Bestes gaben, drehten die Desperados ihnen immer wieder eine lange Nase.
    Berauscht von Alkohol und Begierde, stampften die Cowboys, Revolverhelden und Banditen mit den Füßen, forderten laut johlend eine Zugabe und grölten den Refrain der »Ballade von der Lady mit dem Colt« mit. Sie sangen zwar schrecklich falsch und konnten auch den Takt nicht halten, doch ihre Begeisterung brachte die Deckenbalken zum Erbeben.
    Die Darbietung von Lady war so fesselnd, dass keiner der Männer ein Auge für den berühmten Tresen des Red River Saloon hatte, während sie sang. Das war an sich schon eine ziemliche Leistung, wenn man bedachte, dass in das Mahagoni nackte Tänzerinnen eingeschnitzt waren. Zwar konnten die Gäste ihre Gläser nicht abstellen, ohne dass diese kippelten, doch dafür verbrachten viele von ihnen ihre Zeit damit, mit der einen Hand ihren Drink festzuhalten, während sie mit der anderen das Werk des in Nöte geratenen Künstlers von der Ostküste liebkosten, der seine Talente einst hier gegen Whiskey eingetauscht hatte. Die spannendsten Stellen glänzten bereits abgewetzt. Rafe wusste die künstlerische Arbeit zwar zu schätzen, doch sie konnte mit der leibhaftigen Schönheit auf der Bühne nicht mithalten.
    Lady schürzte die aufreizend rot geschminkten Lippen und ließ den Blick durch den Saloon schweifen, während sie mit verführerischer Stimme weitersang.
    Sie rücken nur ungern die Pferde raus
    Und trennen sich weinend vom Gold
    Doch hier am Red River regiert nunmal
    Die Lady mit dem Colt
    Rafe kippte seinen Whiskey hinunter und bedauerte, dass das Getränk nicht so kalt war wie ein Fluss im Winter. Außerdem änderte der Whiskey leider auch nichts an der lodernden Begierde nach Lady, die in ihm brannte. Diese Frau neckte und quälte die Männer und schürte die Flamme in ihnen, tat aber nichts, um sie von ihren Leiden zu erlösen. Niemand wusste, wie sie wirklich hieß oder woher sie kam. Doch welche Schwierigkeiten konnte ein kleines Frauchen ihm schon machen?
    Bend war für Gesetzeshüter kein Zuckerschlecken, und Rafe hatte
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