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Eine ungezaehmte Lady

Titel: Eine ungezaehmte Lady
Autoren: Jane Archer
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an. Die Füße steckte sie in teure Cowboystiefel, ihr einziges Zugeständnis an die Eitelkeit. Dann band sie sich ein Halstuch mit dem Zipfel nach vorne um, damit man ihre Kehle nicht sah, und zog es bis über die Nase, steckte ihr langes, dickes Haar hoch und stülpte einen breitkrempigen Hut dar­über. Zu guter Letzt schlüpfte sie in Lederhandschuhe, um ihre Hände zu schützen und zu tarnen. Wenn man nicht zu genau hinschaute, konnte sie als Junge durchgehen.
    Eine Verkleidung. Ihr ganzes Leben war nichts als Theater. Satin und Jeans. Die Saloonsängerin und der halbwüchsige Junge, der reiten konnte wie der Wind. Manchmal fragte sie sich, wer sie unter den vielen Lügen wirklich war. Doch sie durfte nicht darüber nachgrübeln.
    Und nun würde sie sich wieder in Gefahr begeben. Zum Glück hatte Dad ihr den Umgang mit Waffen beigebracht. Rasch schnallte sie den Revolvergurt um, vergewisserte sich, dass sein kostbarer Colt Kaliber .44 mit dem Perlmuttgriff auch geladen war, steckte ihn ins Halfter und rückte ihn zurecht, bis das Gewicht richtig saß. Jetzt war sie zu allem bereit.
    Während sie nach unten hastete, versuchte sie, sich nur auf die Herausforderung zu konzentrieren, die ihr bevorstand.
    Manny hatte Jipsey bereits gesattelt. Es konnte losgehen.
    »Danke.« Zärtlich streichelte sie das lang gezogene Gesicht des Rotfuchses und trat zurück, um sein dunkelrotes Fell zu bewundern. Der linke Vordermittelfuß vorne und die Fesseln rechts vorne und links hinten waren weiß. Eine gute Tarnfarbe. Lady griff nach dem Zügel und schwang sich elegant in den Sattel.
    »Die Feldflasche ist voll. Maisfladen und Dörrfleisch sind in der Satteltasche.«
    Sie beugte sich hinunter und küsste Manny auf die raue Wange. »Was würde ich nur ohne dich machen?«
    »Am Galgen baumeln.«
    »Sag so etwas nicht.«
    »Für dich ist ein Auftrag reingekommen.«
    »Jetzt?«
    »Ja. Die Hayes-Brüder treiben wieder ihr Unwesen.«
    »Ich dachte, die wären im Indian Territory.«
    »Jedenfalls waren sie lange genug in Texas, um auf Ma Engles Farm in der Nähe von Whitesborough zwei Apfelkuchen zu stehlen.«
    »Und sie glaubt nicht, dass sie sie gleich an Ort und Stelle verschlungen haben?«
    Manny kicherte. »Sie bäckt den besten Apfelkuchen im Red River Valley, das ist allgemein bekannt. Der Kirchenbasar naht. Also hat sie vermutlich Kuchen gebacken und sie zum Abkühlen auf die Veranda gestellt. Als sie aus der Scheune kam, hat sie gesehen, wie sie mit ihren Kuchen davongeritten sind.«
    »Und was will sie zurück haben? Die Äpfel?«
    »Natürlich nicht. Sie hat auch ihr Täschchen draußen liegen lassen. Die Jungs haben es sich geschnappt. Wahrscheinlich haben sie Geld darin vermutet.«
    »Und das will sie wiederhaben?«
    Manny legte eine Hand auf ihren Stiefel. »Die Sache ist, dass Ma den Totenschmuck ihrer Tochter in diesem Beutel aufbewahrt hat. Sie hat eine goldene Haarlocke des Kindes in eine Brosche in Blumenform geflochten. Die Brosche hat einzig und allein für sie einen Wert.«
    »Ein Jammer. Aber wahrscheinlich haben sie die Brosche inzwischen weggeworfen.«
    »Sie zahlt fünf Golddollar an die Brüder und zehn an dich, wenn du sie zurückholst.«
    »Das wären ja insgesamt fünfzehn Dollar, vermutlich ihr ganzes Vermögen.«
    Er nickte. »Sie hatte nur diese eine Tochter. Ein Schlangenbiss im letzten Sommer.«
    »Also wahrscheinlich wieder Arbeit, für die ich kein Geld annehmen kann.«
    »Sieht danach aus.«
    »Okay, ich halte die Augen nach den Hayes-Brüdern offen.«
    »Pass auf dich auf. Das Indian Territory wimmelt vor Banditen wie ein Hund vor Flöhen. Und die U.S. Marshals sind mit sich selbst beschäftigt.«
    Sie zog den Hut in die Stirn. »Bis auf den, den ich im Saloon zurückgelassen habe.«
    Manny kratzte sich am Bart. »Ordnungshüter haben es nicht gern, wenn man sie zum Narren hält.«
    »Ich werde vorsichtig sein.«
    Lady ritt auf Jipseys Rücken aus dem Stall in die Dunkelheit hinaus. Die Nacht war schwülheiß, und außerdem war es draußen ungewöhnlich hell. Der Geruch von Schnaps, Müll, Außentoiletten und Schweiß mischte sich in der Luft. Sie hörte Geschrei und Schüsse. Was führten die wilden Kerle von Bend wohl jetzt wieder im Schilde?
    Sie ließ ihre Stute die Seitengasse hinuntertraben und sah, wie zornige Männer aus dem Red River Saloon in die Main Street strömten. Ihr Gebrüll lockte die Gäste aus den übrigen Saloons herbei. Einige Männer standen auf der Straße und hielten
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